TOPOS 10
Andreas Hüllinghorst
Hegel - Feuerbach - Marx.
Die vermittelte Umkehrung
Hegel - Feuerbach - Marx. The mediated reversal: The place of a Marxist anthropology determines itself in the origin of Marxist philosophy. When Marx criticizes Feuerbach's anthropology, he cancels anthropology into the dialecticalmaterialistic system. Anthropology is then a universal science no more, but - as Engels passes in his conception of a dialectic of nature - the transition from a natural dialectic into a dialectic of history. The evidence for this thesis ist the following re-enactment of the reversal-programmes of Feuerbach and Marx.
Mit meinem Beitrag zur Dialektik von Reform und Revolution und Michael Weingartens Entgegnung[1] ist in Topos eine Grundlagendiskussion begonnen worden, die auf eine Klärung eines handlungsorientierenden Begrifft der Geschichte abzielt bzw., wie Weingarten sich ausdrückt, den Anfang mache für »das Verständnis unserer Gegenwart und damit unsere Zielsetzung vorantreibe«[2]. Diese Ausdrücke zeigen, daß hier zwei verschiedene Konzepte um die Gunst des Ziels, der wirklichen radikalen Veränderung des Kapitalismus, ringen. Die Verschiedenartigkeit ist so fundamental, daß der Ort der philosophischen Klärung des Geschichtsbegriffs und sogar die Art dieser Wissenschaft strittig ist. Von der Vielzahl der diskussionswürdigen Probleme, die sich in diesem Disput ergeben haben, soll im folgenden nur ein Grundlagenproblem erörtert werden: Was ist der systematische Ort einer historisch-materialistischen Anthropologie?
Den Boden für diese Untersuchung bildet der Ursprung der marxistischen Philosophie selbst, d.i. Marx’ und Engels’ Kritik an Feuerbachs Anthropologie. Dort, wo die marxistische Philosophie entspringt, entspringt auch zugleich das Bewußtsein für einen Ort, den eine Anthropologie innerhalb des Dialektischen Materialismus einnimmt. Ich folge hier Jeroen Bartels, der in seiner Untersuchung des Verhältnisses von Hegel, Feuerbach und Marx schreibt: »Die Philosophie ist deshalb gezwungen, sich mit dem Problem ihres Anfangs intensiv zu befassen, da dieser Anfang nicht nur ihren Ausgangspunkt bildet, sondern auch zu ihrer bleibenden Voraussetzung gehört. Wenn sie nicht imstande ist, ihren Anfang zu reflektieren, dann kann sie ihre eigene Genese und ihre bleibende Voraussetzung nicht reflektieren.«[3]
Was Bartels generell aussagt, daß gilt für die marxistische Philosophie im besonderen. Unser Interesse gilt zunächst Feuerbach.
I. Hegels Philosophie geht in Feuerbachs Anthropologie theoretisch zugrunde
»Wie verhält sich das Denken zum Sein, wie die ›Logik‹ zur Natur?«[4] Mit dieser Frage beginnt Feuerbachs eigenständiges Philosophieren. Es ist wesentlich eine Auseinandersetzung mit Hegels Philosophie, denn schon in diesem eben zitierten Satz, der laut Feuerbach seinen frühesten Zweifel an Hegels Philosophie dokumentiert, ist mit ›Logik‹ Hegels Wissenschaft der Logik gemeint. Feuerbach stellt also die Frage nach dem Verhältnis von Denken und Sein an Hegels Philosophie. Diese erscheint durch die Diskussion der Junghegelianer theoretisch mangelhaft und ist daher in Frage zu stellen. Feuerbachs Frage ist, wie Friedrich Engels rückblickend schreibt, die »große Grundfrage aller, speziell neueren Philosophie«[5]. Mit dieser Frage geht die Philosophie überhaupt in ihrer entwickeltsten Form, d.i. Hegels Philosophie, zugrunde; d.h., sie geht in ihren Grund. In der äußersten Entfaltung der Philosophie zur alle Wirklichkeit übergreifenden, absoluten Idee verkehrt sich die Philosophie nach Feuerbachs Überlegungen unmittelbar in ihr Gegenteil: Hegels Philosophie ist tatsächlich nur bestimmte und nicht absolute Totalität; sie ist die Philosophie eines menschlichen Individuums und nicht die gottgleiche Wirklichkeit der Totalität; sie ist ein Teil der Wirklichkeit. Feuerbach, Hegels System ganz vor Augen, kritisiert: »Die Form seiner Anschauung und Methode selbst ist nur die externe Zeit, nicht auch zugleich der tolerante Raum, sein System weiß nur von Subordination und Sukzession, nichts von Koordination und Koexistenz. Wohl ist die letzte Entwicklungsstufe immer die Totalität, welche die anderen Stufen in sich aufnimmt, aber da sie selbst eine bestimmte Zeitexistenz ist und daher den Charakter der Besonderheit an sich trägt, so kann sie die anderen Existenzen nicht in sich aufnehmen, ohne ihnen das Mark des selbständigen Lebens auszusaugen [...].« (17)
Hegels System mangele es logisch daran, die Totalität, statt bloß einseitig als Resultat, als Totalität auszudrücken. Ein Resultat ist nicht das Ganze, sondern nur die entwickeltste, letzte Gestalt des Ganzen, ohne alle jene Stufen, die zum Resultat führten. Im Resultat sind alle früheren, ehemals selbständigen Vorstufen nur noch die unselbständigen Momente des Resultats. Das Resultat ist bloß eine Abstraktion des Ganzen und nicht das Ganze selbst. Diese Kritik ist Feuerbach möglich, indem er die Natur als ein System zum Maßstab nimmt, das diesen Mangel nicht hat: »Die Natur verbindet mit der monarchischen Tendenz der Zeit immer zugleich den Liberalismus des Raumes.« (18)[6] Das natürliche System ist Totalität, in dem das Resultat und alle seine Vorstufen zugleich existieren. Dabei ist die Natur nicht einfach ein Beispiel für bessere Systematik, vielmehr ist sie von Feuerbach als die Totalität gedacht, in der auch alles Denken der Totalität stattfindet. »Was einmal in Raum und Zeit eintritt, das muß sich auch in die Gesetze von Raum und Zeit fügen. [...] Selbstbeschränkung ist die Bedingung des Eintritts. Was nur immer wirklich wird - es wird nur wirklich als ein Bestimmtes.« (20)
Darum trifft Hegels System das gleiche Schicksal wie alle philosophischen Theorien, es ist eine »besondere, individuelle Totalität«, »eine besondere geschichtliche Erscheinung«, »eine empirisch daseiende Philosophie« (19). Eine Philosophie, die nicht Totalität, sondern Resultat ist, ist wie jede andere Philosophie die besonderen Gedanken eines Menschen. »Die Hegelsche Philosophie ist hervorgegangen zu einer bestimmten Zeit, enstand in einer bestimmten Zeit, wo die Menschheit, wie zu jeder anderen Zeit, auf einem bestimmten Standpunkt stand, eine bestimmte Philosophie existierte; sie bezog sich auf diese Philosophie, sie schloß sich selbst an diese an; sie muß also selbst einen bestimmten und folglich endlichen Charakter haben.« (23)
Feuerbach hat mit der Hegelschen Philosophie die ganze Philosophie im Blick. Was für letztere gilt, gilt auch für Hegels und umgekehrt. Hegel vollendet inhaltlich und formal, worauf Fichte und Schelling vor dem Hintergrund der Kantischen Philosophie abzielten. Hegels Philosophie macht historisch bedingte Voraussetzungen, sie hat also einen für Hegel selbstverständlichen und daher unbedenklichen Denkeinsatz. Hegels Philosophie ist nun in ihrem Grund das, was sie wirklich ist, nämlich Hegels Philosophie, die Theorie eines Mannes vom Anfang des 19. Jahrhunderts, ein Teil der Natur und nicht die ganze Natur selbst. Hegels Philosophie gehorcht den Gesetzen der Natur und nicht die Natur seiner Philosophie.
Daß Hegels Philosophie ein Bestimmtes statt Totalität ist, hat die Natur, die Wirklichkeit, schon selbst bewiesen. »Wenn die Hegelsche Philosophie die absolute Wirklichkeit der Idee der Philosophie wäre, so müßte der Stillstand der Vernunft in der Hegelschen Philosophie den Stillstand der Zeit notwendig zur Folge haben, denn wenn die Zeit nach wie vor ihren traurigen Gang fortginge, so würde die Hegelsche Philosophie unausbleiblich um das Prädikat der Absolutheit kommen.« (22)
Der Fortgang der Zeit hat aber mit dem Fortgang der Philosophie durch die Junghegelianer und schließlich durch Feuerbachs kritische Überlegungen stattgefunden. So ist Hegels Philosophie real als Totalität in Form dieser theoretischen Diskussion widerlegt. Diese real-theoretische Widerlegung muß selbst begriffen werden. Sie ermöglicht es Feuerbach, einen neuen philosophischen Standpunkt, nämlich genau den der realen Widerlegung, einzunehmen, um von da aus Hegels Philosophie zu kritisieren, das bedeutet, eine grundlegend neue Philosophie zu formulieren.
II. Feuerbachs Hegel-Kritik
Unabhängig davon, daß Hegel philosophiegeschichtlich an seine Vorgänger Kant, Fichte und Schelling anknüpft und daher historische Voraussetzungen hat, macht er systematisch scheinbar keine. Sein Anfang in der Wissenschaft der Logik ist das absolut unbestimmte, mit nichts behaftete Sein. Solches Sein hat damit aber die Unbestimmtheit zur Voraussetzung. Ein absolut unbestimmtes Sein ist nicht unmittelbar zu denken, denn es muß von allem Bestimmten des Seins abstrahiert werden. Dieser Anfang setzt den Prozeß des vollständigen Abstrahierens voraus. Ein solcher ist laut Feuerbach von Hegel in der Phänomenologie des Geistes betrieben worden: »Sein, womit die ›Logik‹ beginnt, hat [...] die ›Phänomenologie‹ [...] zur Voraussetzung.« (35) Der erste Akt des Abstrahierens von allem Bestimmten setzt unmittelbar beim wirklichen Sein an. Am Anfang der Phänomenologie des Geistes wird das einzelne Seiende, das reale Hier. Jetzt und Dieses ins allgemeine Hier, Jetzt und Dieses abstrahiert. D.h., das Einzelne verschwindet im Begriff nicht, gibt aber seine Selbständigkeit auf, indem alle Einzelnen untereinander zu gleichgültigen Momenten des allgemeinen Abstrakten fixiert werden. Auf diese Weise geht dem wirklichen Sein seine Wirklichkeit verlustig; es ist nicht mehr das, was es wesentlich ist, nämlich selbständiges, nichts gleichendem Einzelnes. Das abstrakte Sein der Phänomenologie des Geistes und damit auch das der Wissenschaft der Logik haben das wirkliche Sein zur Voraussetzung. Das wirkliche Sein verschwindet aber durch die Abstraktion im Resultat dieses Denkens, im abstrakten Sein, so daß das abstrakte Sein als voraussetzungslos erscheint. Es entsteht von der Seite des Denkens her gesehen, zwischen Sein und Denken Identität, denn das wirkliche Sein ist vom Denken vollständig aufgehoben worden. Dieses ›resultative‹ Denken, denn es nimmt nur das Resultat seines eigenen Tuns für wahr, erfaßt nicht das ganze Denken. Von der Seite des wirklichen Seins her gesehen, besteht durch das Abstrahieren ein Gegensatz, denn das Denken hat das Sein wesentlich außen vor gelassen. »Abstrahieren heißt [...], das Wesen des Denkens außer den Denkakt setzen.« (247) Feuerbach kann daher kritisieren: »Aber eben deswegen, weil sich Hegel nicht wirklich in das sinnliche Bewußtsein hineingestellt und hineingedacht hat, weil das sinnliche Bewußtsein nur so Gegenstand ist, wie es Gegenstand des Selbstbewußtseins des Gedankens, weil es mir die Entäußerung des Gedankens innerhalb der Gewißheit seiner selbst ist, so beginnt auch die ›Phänomenologie‹ oder die ›Logik‹ - denn es kommt auf eins hinaus - mit einer unmittelbaren Voraussetzung ihrer selbst [...], denn sie beginnt, wie gesagt, nicht mit dem Anderssein des Gedankens, sondern mit dem Gedanken von dem Anderssein des Gedankens [.. .].« (45)
Mit Feuerbachs Überlegungen entlarvt sich Hegels System als Theologie. »Die absolute Voraussetzungslosigkeit - der Anfang der spekulativen Philosophie ist nichts andres als die Voraussetzungs- und Anfangslosigkeit, die Aseität des göttlichen Wesens.« (281)
Das von Hegel voraussetzungslos gesetzte Sein, dem nichts außer sich selbst gegeben ist, und das dem Menschen nur im Denken präsent ist, dieses Sein ist die religöse Vorstellung von Gott. »Wovon Gott frei ist, davon mußt du dich selbst frei machen, wenn Du zu Gott kommen willst, und machst dich also wirklich frei, wenn du ihn dir vorstellst. Denkst du dir folglich Gott als ein Wesen ohne Voraussetzung irgendeines anderen Wesens oder Objekts, so denkst du selbst ohne Voraussetzung eines äußerlichen Objektes [...].« (ebd.)
In diesem Fall denkt der Mensch, hier Hegel, Gott selbst. Gott ist die menschliche Vernunft. Darin macht sich die Differenz zwischen Hegels System und der Theologie deutlich, denn, wo Gott den Theologen ein Jenseits ist, ist für Hegel Gott die menschliche Vernunft. Die Theologie wird von Hegel wohl kritisiert, aber zugleich auch erneuen, denn Hegels ›absolute Idee‹ ist Gott.
«Der Widerspruch der neueren Philosophie [ist] die Negation der Theologie auf dem Standpunkte der Theologie [...].« (295) Hegels System ist die Vermenschlichung Gottes in der Form der Vergöttlichung der menschlichen Vernunft. Die Theologen mußten sich von aller Wirklichkeit, von aller Materie gedanklich befreien, um Gott denken zu können. Diesen Prozeß reflektiert und vollzieht Hegel in seiner Phänomenologie des Geistes. Das ›absolute Wissen‹ der Phänomenologie bzw. das abstrakte Sein der Wissenschaft der Logik ist der voraussetzungslos gesetzte Gott. Dieser Gott muß sich aber auch von aller Materie befreien. Dies ist nur möglich, wenn er zuvor mit aller Materie behaftet ist. Gott muß sich also zuvor als sein Gegenteil setzen. Materie ist der entäußerte Gott. Doch sie ist er nur negativ, als sein unwahres, nichtiges Wesen, von dem sich Gott befreien muß, um wirklich er selbst zu sein. So kommt Gott am Ende von Hegels System in der höchsten menschlichen Vernunft zu sich selbst, als zu dem, wie er am Anfang vom Menschen gedacht war. »Gott ist Gott erst dadurch, daß er die Materie, die Negation Gottes, überwindet, negiert. Und erst die Negation der Negation ist nach Hegel wahre Position.« (297)
Hegels System hat die Form eines Kreises. »Dieses System ist nur, was ein in sich geschlossener Kreis ist, was nicht geradeaus bis ins Unendliche fortläuft, sondern am Ende in seinen Anfang zurückkehrt.« (25) Dieses System trägt wegen seiner kreisförmig bedingten Endlichkeit einen Widerspruch in sich: »Aber gleichwohl ist das systematische Denken nicht das Denken an sich, das wesentliche Denken, sondern nur das sich darstellende Denken.« (ebd.) Darstellendes Denken ist sukzessives Darstellen von Gedanken in der Zeit, während wesentliches Denken das die Sukzession übergreifende Denken des Zugleich ist. Vor dem Hintergrund der Hegelschen systematischen Philosophie bedeutet das: »Indem [...] der Anfang das Unbestimmte ist, hat der Fortgang die Bedeutung der Bestimmung. Erst im Verlauf der Darstellung bestimmt sich, offenbart sich, was das ist, womit ich anfange. Der Fortgang ist daher ein Rückgang [...], im Rückgang nehme ich die Sukzession, die Verzeitlichung des Gedankens wieder zurück: Ich stelle die verlorengegangene Identität wieder her. Aber das Erste, auf das ich zurückkomme, ist jetzt nicht mehr das anfängliche, unbestimmte, unbewiesene Erste, sondern ein vermitteltes und daher nicht mehr dasselbe oder, wenn auch dasselbe, nicht mehr in derselben Form.« (25 f.)
Der philosophische Gedanke hat zwei Seiten, eine darstellende im Fortschritt der theoretischen Zeit und die wesentliche in der immer gleichen und daher realen unendlichen Zeit. Die Darstellung vermittelt das Bewußtsein des Denkers mit dem seiner Leser. Sie bestimmt deren Verstand, d.h., sie bringt ihn in eine Form. Die Darstellung schafft aber nicht den Verstand der Leser. »Der Philosoph bringt nur zu Bewußtsein, was ich wissen kann, er knüpft an mein geistiges Vermögen an.« (27) Der Gedanke des Philosophen wird in der Darstellung ein Gedanke für alle; er vermittelt Ich und Du zur Erkenntnis der Identität des Verstandes. Was ich denke, das kannst auch Du denken, denn es ist ein gesetzmäßiger, folgerichtiger Gedanke. »Die Demonstrations- und Schlußweisen sind daher keine Vernunftsformen an sich, keine Formen des innerlichen Denk- und Erkenntnisaktes, sie sind nur Mitteilungsformen [...], Erscheinungen des Gedankens.« (30)
Die Darstellung in der Philosophie ist das System, als das Bild oder der Spiegel des Verstandes und nicht der Verstand selbst. »[Hegel] wollte in der Darstellung den Versrand selbst antizipieren und kaptivieren, in das System komprimieren. Das System sollte gleichsam die Vernunft selbst sein, die unmittelbare Tätigkeit in die mittelbare rein aufgehen [...].« (33)
Sein Versuch der absoluten Selbstentäußerung des Verstandes tut so, als sei sie der wirkliche Verstand. Doch die Darstellung gibt sich zum Schluß selbst auf und geht in den inneren Verstand zurück, indem sie zur ›absoluten Idee‹ kommt. »Am Schlusse führt daher die ›Logik‹ uns auf uns selbst zurück, auf den inneren Erkenntnisakt, das vermittelnde, darstellende Wissen wird unmittelbares Wissen.« (26) Dieser Rückgang gilt sowohl für den sein Denken darstellenden Philosophen als auch für dessen Leser: »[...] ich schlage mit der absoluten Idee die drei Bände der ›Logik‹ zu, weil ich nun ›weiß‹, was in der ›Logik‹ steht; ich hebe in meiner Erkenntnis den zeitlichen Vermittlungsprozeß auf[...].« (26)
Alle Darstellung fällt nun in den wirklichen Verstand als unmittelbares Wissen zurück. »Das Denken ist früher als das Darstellen des Denkens. Der Anfang in der Darstellung ist nur für sie. aber nicht für das Denken das erste. Die Darstellung bedarf der erst später auftretenden, aber innerlich, im Denken, immer präsenten Gedanken. Die Darstellung ist das an und für sich Mittelbare, das erste [das Denken] daher auch in ihr nun und nimmermehr ein Unmittelbares, sondern ein Gesetztes, Abhängiges, Vermitteltes, indem das erste bestimmt wird durch Gedankenbestimmungen, die durch sich selbst gewiß sind, vor und unabhängig von der sich darstellenden, zeitlich explizierenden Philosophie. So appelliert die Darstellung stets an eine höhere, in Beziehung auf sie apriorische Instanz.« (34 f.)
Diese apriorische Instanz ist das sich durch selbstgewisse Gedankenbestimmungen selbst bestimmende wesentliche Denken selbst. Es ist eigentlich gar nicht nötig zu vermitteln, denn seine Darstellung drückt stets nur das Eigentliche, in Hegels Fall die ›absolute Idee‹, aus. Das wesentliche Denken ist unmittelbar gewiß, ist das ursprüngliche, materiale Denken. »So hat der Beweis [die Darstellung] eine wesentliche und zugleich eine unwesentliche Bedeutung; er war eine Notwendigkeit - die absolute Idee muß sich beweisen, sie ist es nur als sich beweisende -, aber zugleich seine Überflüssigkeit für die innere Gewißheit von ihrer Wahrheit. Der Ausdruck dieser überflüssigen Notwendigkeit, dieser entbehrlichen Unentbehrlichkeit oder unentbehrlichen Entbehrlichkeit ist die Hegelsche Methode.« (40 f.)
Hegels Philosophie ist der Widerspruch zwischen dem System als seiner Methode und der absoluten Idee als des wirklichen, stets unmittelbaren philosophischen Gedankens. Diesen Widerspruch auflösen bedeutet, sich auf die eigentliche Philosophie zu konzentrieren und Hegels Methode und System beiseite zu lassen. Der philosophische Gedanke bezeugt sich nicht in einem bloß formellen Anderssein als Darstellung, sondern in einem wirklichen Anderssein. »Das Andere des reinen Gedankens ist aber im allgemeinen der sinnliche Verstand. Beweisen auf dem Gebiete der Philosophie heißt also nichts anderes, als daß der Widerspruch des sinnlichen Verstandes gegen den reinen Gedanken überwältigt wird, der Gedanke nicht nur für sich, sondern auch für sein Gegenteil wahr ist [...].« (41)
Die neue Philosophie muß im Gegensatz zur neuzeitlichen Philosophie statt mit sich selbst mit ihrem Gegenteil, mit der Nicht-Philosophie, mit der Sinnlichkeit beginnen. Hegel, das Einzelne verallgemeinernd und damit in die Philosophie hebend, stellt sich nicht wirklich in die Wirklichkeit, was von Anfang an zu tun gewesen wäre, er beginnt mit dem Allgemeinen, der unbestimmten absoluten Idee, die die bestimmte absolute Idee voraussetzt. Denken als Abstraktion und als Darstellen ist identisch, denn beides sind Ablösungen von der Sinnlichkeit. Dieser Bruch der Hegelschen Philosophie mit der sinnlichen Anschauung muß aufgehoben werden, indem sich die Philosophie unmittelbar in das Sinnliche stellt. Dieser Widerspruch, dem alle neuzeitliche Philosophie unterliege, ist nur aufzulösen, wenn ein philosophietranszendenter Anfang in einer neuen Philosophie gefunden wird. »Die einzige voraussetzungslos beginnende Philosophie ist die, welche die Freiheit und den Mut hat, sich selbst zu bezweifeln, welche sich aus ihrem Gegensatz erzeugt.« (38)
Dieser Gegensatz zum abstrakten Sein ist das wirkliche Sein. Der Widerspruch, in dem sich mit Hegel alle neuzeitliche Philosophie befindet, erscheint vor diesem Hintergrund als »unmittelbare[r] Bruch mit der sinnlichen Anschauung«, als »unmittelbare Voraussetzung der Philosophie« (42). Also muß mit der neuzeitlichen Philosophie als uneigentlicher Philosophie unmittelbar gebrochen werden. Sie ist als Abstrahieren und Darstellen eine Verirrung des Denkens in sich selbst, der nur etwas entgegengesetzt werden kann, wenn von Abstraktion und Darstellen radikal abgesehen wird. Diese Absehung erfüllt die Anthropologie.
III. Feuerbachs Anthropologie
Feuerbachs Standpunkt ist die Anthropologie. Von ihr aus gilt es, »durch die Kritik der göttlichen Philosophie die Wahrheit der menschlichen zu begründen« (265). Solche Kritik bedeutet zugleich Fortführung des gesamten theoretischen Bemühens des Bürgertums vom Protestantismus zur spekulativen Philosophie, und hierin von Descartes und Spinoza bis zu Hegel. Von Feuerbachs Standpunkt aus mündet dies alles in Anthropologie: »Die Aufgabe der neueren Zeit war die Verwirklichung und die Vermenschlichung Gottes - die Verwandlung und Auflösung der Theologie in Anthropologie.« (265) Feuerbachs Anthropologie ist somit als Kritik der ›göttlichen Philosophie‹ negativ und bricht unmittelbar mit der formellen Verirrung des neuzeitlichen Denkens. Doch diese Verirrung ist eine, die, ohne es selbst zu wissen, den Weg aus der Verirrung weist, so daß Feuerbachs Kritik positiv ist, indem sie die Vermenschlichung Gottes
seitens der neuzeitlichen Philosophie konsequent fortführt. Die Kritik der Hegelschen Theologie ist zugleich »die Realisation der Hegelschen, überhaupt bisherigen Philosophie, aber eine Realisation, die zugleich die Negation, und zwar die widerspruchslose Negation, derselben ist.« (295)
Reale Philosophie zu sein, bedeutet theoretisch, den Widerspruch der göttlichen Philosophie aufzulösen, nämlich die Theologie nicht vom Standpunkt der Theologie, sondern vom Standpunkt des Menschen zu negieren (vgl. 295-298). Sie ist daher noch nicht eigentliche Anthropologie, sondern ihr Ursprung: »Gegenwärtig handelt es sich nicht darum, den Menschen darzustellen, sondern darum, ihn nur erst aus dem Morast, worein er versunken war, herauszuziehen.« (264 f.)
Feuerbachs Hinwendung zur Anthropologie, ihr Ursprung, realisiert sich durch Umkehrung der Hegelschen Philosophie. »Wir dürfen nur immer das Prädikat zum Subjekt und so als Subjekt zum Objekt und Prinzip machen - also die spekulative Philosophie nur umkehren, so haben wir die unverhüllte, die pure, blanke Wahrheit.« (244)
Der Ursprung der Hegel folgenden Anthropologie ist demnach eine zweiseitige Bewegung des Gedankens. Sie ist Realisation und Umkehrung, derart, daß mit der Umkehrung nicht nur eine theoretisch andere Philosophie, sondern eine lebendige, eine wirklich gelebte entspringen soll. Die Umkehrung ist das Mittel zur Realisation der Philosophie als Anthropologie. Wie wird nun Philosophie realisiert, also wirklich? »Der konkrete Begriff, die Idee ist nach Hegel zunächst nur abstrakt, nur im Elemente des Denkens - der rationalisierte Gott der Theologie vor der Schöpfung der Welt. Aber wie Gott sich äußert, offenbare, verweltlicht, verwirklicht, so realisiert sich die Idee [...].« (314)
Den Anstoß für Realisation und Umkehrung legt schon Hegels göttliche Philosophie. »Kommen wir aber einmal mit der Realisation der Idee in das Reich des Realismus, ist die Wahrheit der Idee, daß sie wirklich ist, daß sie existiert, so haben wir ja die Existenz zum Kriterium der Wahrheit: Nur was wirklich, ist wahr. Und es fragt sich nur: Was ist wirklich? [...] Ist es daher wirklich Ernst mit der Realität des Gedankens oder der Idee, so muß etwas andres, als er selbst ist, zu ihm hinzukommen, oder: Er muß als realisierter Gedanke ein andres sein denn als nichtrealisierter, als bloßer Gedanke - Gegenstand nicht nur des Denkens, sondern auch des Nichtdenkens. Der Gedanke realisiert sich heißt eben, er negiert sich, hört auf, bloßer Gedanke zu sein. Was ist denn nun aber dieses Nichtdenken, dieses vom Denken Unterschiedene? Das Sinnliche. Der Gedanke realisiert sich heißt demnach, er macht sich zum Objekt des Sinnes. Die Realität der Idee ist also die Sinnlichkeit [...].« (ebd.)
Jetzt ist Feuerbach mit Hegel in der Wirklichkeit der Philosophie angelangt. Von hier aus erscheint dann die Realisation anders, als sie sich realisiert hat: »Aber gleichwohl haben wir so die Sinnlichkeit nur noch zu einem Prädikat, die Idee oder Gedanken zum Subjekt. Allein warum versinnlicht sich denn die Idee? Warum ist sie nicht wahr, wenn sie nicht rea/, d.i. nicht sinnlich, ist? [. . .] an den Gedanken ergeht nur die Forderung, sich zu realisieren, zu versinnlichen, weil unbewußt dem Gedanken die Realität, die Sinnlichkeit, unabhängig von dem Gedanken, als Wahrheit vorausgesetzt ist. [...] Wir [machen] das Reale, das Sinnliche zum Subjekt seiner selbst, wenn wir demselben absolut selbständige, göttliche, primative, nicht erst von der Idee abgeleitete Bedeutung geben.« (314 f.)
Wie die Reflexion der neuzeitlichen Philosophie erst den Ausweis aus der Verirrung der Philosophie in sich selbst darbringt, macht erst die Reflexion der Realisation die Realisation zur vollständigen Umkehrung. Daß der Drang zur Verwirklichung der Idee aus der Wirklichkeit selbst statt aus der Idee kommt, das ist Feuerbachs Umkehrung. Die ›göttliche Philosophie‹, da sie selbst schon den Drang zur Realisation hat, realisiert sich in, wird realisiert durch eine Philosophie der Sinnlichkeit. Mit der Realisation der Sinnlichkeits-Philosophie ist auch die Umkehrung der neuzeitlichen Philosophie vollzogen. Umkehrung und Realisation sind im Resultat dasselbe. Der logische Mangel der neuzeitlichen, speziell Hegelischen Philosophie ist jetzt behoben; das Verhältnis von Subjekt und Objekt, von Denken und Sein ist nicht ursprünglich im Subjekt, im Denken aufgehoben, sondern herrscht real in der Sinnlichkeit. »Das wahre Verhältnis vom Denken zum Sein ist nur dieses: Das Sein ist Subjekt, das Denken Prädikat, aber ein solches Prädikat, welches das Wesen seines Subjekts enthält. Das Denken ist aus dem Sein, aber das Sein nicht aus dem Denken.« (258)
Realisation ist Auflösung der Philosophie in Sinnlichkeit; die Realisation ist daher theoretisch und praktisch zugleich. Denken wird nun ein Seiendes im Sein, in der Sinnlichkeit. Träger der Sinnlichkeit und der Philosophie der Sinnlichkeit ist der Mensch. »Die neue Philosophie [...] ist der denkende Mensch selbst, der Mensch der ist und sich weiß als das selbstbewußte Wesen der Natur, [...] als die wirkliche (nicht imaginäre) absolute Identität aller Gegensätze und Widersprüche [...]« (259 f.) - [...] das menschliche Wesen ist nicht mehr ein besonderes, subjektives, sondern ein universelles Wesen, denn der Mensch hat das Universum zum Gegenstande seines Erkenntnistriebes.« (61)
Der Mensch, seine Sinnlichkeit ist ontisch-ontologische Identität; er ist in seiner Sinnlichkeit wahres und wirkliches Wesen. Sinnlichkeit, Wahrheit und Wirklichkeit sind identisch. Darum nennt Feuerbach die Sinnlichkeits-Philosophie zurecht Anthropologie. »Die neue Philosophie macht den Menschen mir Einschluß der Natur, als der Basis des Menschen, zum alleinigen, universalen und höchsten Gegenstand der Philosophie - die Anthropologie also, mit Einschluß der Physiologie, zur Universalwissenschaft.« (337)
Nur in der Sinnlichkeit ist dem Menschen ein Gegenstand in Wahrheit und Wirklichkeit gegeben. »Ein Objekt, ein wirkliches Objekt wird mir nämlich nur da gegeben, wo mir ein auf mich wirkendes Wesen gegeben wird, wo meine Selbsttätigkeit [...] an der Tätigkeit eines andern Wesens ihre Grenze - Widerstand findet.« (316)
Der wirkliche Widerstand eines Etwas, sein Eindringen in ein menschliches Individuum erfährt dieses nur in seiner Sinnlichkeit. Wird die fremde Wirkung begriffen, entsteht der Begriff der Wirkung. Doch die Erfahrung des Widerstandes bzw. Eindringens eines äußeren Etwas ist nicht allein an Widerstand und Eindringen gebunden. »Die Gewißheit selbst von dem Dasein andrer Dinge außer mir ist für mich vermittelt durch die Gewißheit von dem Dasein eines andern Menschen außer mir. Was ich allein sehe, daran zweifle ich; was der andere auch sieht, das erst ist gewiß.« (324)
Die wirkliche wahrheitsgemäße und damit erst wirkliche individuelle Erfahrung, denn das Individuum könnte sich ja auch täuschen, ist nur als gesellschaftliche Erfahrung möglich. Daher ist jede wirkliche Erfahrung wesentlich allgemein. »Zwei Menschen gehören zur Erzeugung des Menschen - des geistigen sogut wie des physischen. Die Gemeinschaft des Menschen mit dem Menschen ist das erste Prinzip und Kriterium der Wahrheit und Allgemeinheit.« (ebd.)
Damit wird sogar die Subjekt-Subjekt-Verbindung im Unterschied zur Subjekt-Objekt-Verbindung dominant. Der Mensch ist Gattungswesen, das Individuum vertritt immer nur die Gattung und ist nur durch die Gattung. »Der Begriff des Objekts ist ursprünglich gar nichts andres als der Begriff eines andren Ich [...], daher ist der Begriff des Objekts überhaupt vermittelt durch den Begriff des Du, des gegenständlichen Ich.« (316)
Die Erfahrung, selbst ein Objekt zu sein, ist dem einen Ich nur durch ein anderes Ich gegeben, dem jenes ein Objekt ist. Erst durch die Objekt-Erfahrung weiß das Ich sich als Subjekt. Wie die Anthropologie eine Umkehrung der Priorität von Sein und Denken zum Sein hin ist, ist sie ebenso eine Umkehrung des Subjekt-Objekt-Verhältnisses. Das Subjekt, der Mensch, das menschliche Individuum ist zunächst wie alles andere Seiende Objekt, und als Objekt erst weiß es sich und ist es Subjekt. Dann erst bin ich in der Sinnlichkeit für mich Ich und für ein anderes Ich Du. An sich bin ich in der Sinnlichkeit Subjekt und Objekt zugleich. Die Sinnlichkeit kann nun gedacht werden als »wirkliche [...] absolute Identität aller Gegensätze und Widersprüche« (260). »Das Geheimnis der Wechselwirkung löst nur die Sinnlichkeit. Nur sinnliche Wesen wirken aufeinander ein.« (317) Wirkliche Sinnlichkeit und begriffene Sinnlichkeit, Einzelheit und Allgemeinheit, Individuum und Gattung, Subjekt und Objekt fallen in der Gattung Mensch als das wirkliche Objekt-denkende Subjekt zusammen. Die neue Philosophie betrachtet und berücksichtigt das Sein, wie es für uns nicht nur als denkende Wesen ist, sondern auch zugleich wie es für uns als wirklich seiende Wesen ist - die neue Philosophie betrachtet und berücksichtige also das Sein wie es für uns als Objekt des Seins ist - sie betrachtet das Sein also als Objekt seiner selbst?[7] Der Mensch ist selbst Objekt, und als Objekt betrachtet und berücksichtige er in der Anthropologie das Sein. Er ist das Sein seiende und zugleich das Sein denkende Sein. Das Sein macht sich selbst zu seinem eigenen Gegenstand. Dieser Gegenstand ist der Mensch. Der Mensch ist wesentlich Gegenstand überhaupt, d.i. Objekt überhaupt. Das Sein ist sein Sein. »Das Sein als Gegenstand des Seins - und nur dieses Sein ist erst Sein und verdient erst den Namen des Seins - ist das Sein des Sinns, der Anschauung, der Empfindung, der Liebe.« (317)
Das Sein der Liebe ist das Sein, das sich selbst Gegenstand ist. Das Wesen des Menschen, Objekt zu sein, liegt in seinem Wesen zu lieben. Lieben ist Objektsein. Alles Sein kann für den Menschen nur in der Liebe sein. »Was nicht geliebt wird, nicht geliebt werden kann, das ist nicht. [...] Und nur der ist etwas, der etwas liebt.« (319) Alles Sein fällt in die Liebe, denn was nicht geliebt werden kann und was nicht lieben kann, ist nichts. »Die Liebe ist Leidenschaft, und nur die Leidenschaft ist das Wahrzeichen der Existenz.« (318) In der Leidenschaft kommt die Objektivität der Liebe und damit des Menschen zum Ausdruck. »Das, dessen Sein, dir Freude, dessen Nichtsein dir Schmerz bereitet, das nur ist. Der Unterschied zwischen Objekt und Subjekt. zwischen Sein und Nichtsein ist ein ebenso erfreulicher als schmerzlicher Unterschied.« (318 f.)
Sein als Objekt des Seins bzw. als Objekt des Seins zu sein kann der Mensch, der genau auf diese Weise allein existiert, nicht auflösen. Er kommt aus seiner Leidenschaft, aus einer Objektivität nicht heraus. In der Liebe offenbart sich das Sein wie es ist. »Das Herz will keine abstrakten, keine metaphysischen oder theologischen - es will wirkliche, es will sinnliche Gegenstände und Wesen.« (319) Das Sein ist nicht mehr die abstrakt aufgefaßte Unendlichkeit aller Seienden, in der alles Seiende differenzenlos aufgelöst ist, sondern genau umgekehrt bekommt »das einzelne absoluten Wert, ist das Endliche das Unendliche., (317; vgl. 249). Das Sein ist statt spekulativer Totalität anthropologisches Dieses. Als Dieses geht es ganz in die Liebe, in den Menschen, in das Objekt auf. Sein ist Dieses. Insofern ist innerhalb des Objekts, des Menschen, der Liebe die Subjekt-Objekt- und die Individuum-Gattung-Differenz aufgehoben. »Der Mensch wird sich selbst nur durch den Sinn gegeben. - er ist sich selbst als Sinnenobjekt Gegenstand. Die Identität von Subjekt und Objekt [...] ist Wahrheit und Wirklichkeit nur in der sinnlichen Anschauung des Menschen vom Menschen.« (323)
Damit wird die Sinnlichkeit um ein geistiges Moment erweitert. »Nicht nur Äußerliches also - auch Innerliches, nicht nur Fleisch - auch Geist, nicht nur das Ding - auch das Ich ist Gegenstand der Sinne. - Alles ist darum sinnlich wahrnehmbar, wenn auch nicht unmittelbar, doch mittelbar, wenn auch nicht mit dem pöbelhaften, rohen, doch mit den gebildeten Sinnen, wenn auch nicht mit den Augen des Anatomen oder Chemikers, doch mit den Augen des Philosophen.« (324)
Die Sinne müssen vom philosophischen Verstand, von der Anthropologie zunächst durchdrungen werden, um menschlich sinnlich zu sein. Menschlich werden sie nur im Menschen. »Alle unsere Ideen entspringen darum auch aus den Sinnen; darin hat der Empirismus vollkommen recht; nur vergißt er, daß das wichtigste, wesentlichste Sinnenobjekt des Menschen der Mensch selbst ist, daß nur im Blicke des Menschen in den Menschen das Licht des Bewußtseins und Verstandes sich entzündet. Der Idealismus hat daher recht, wenn er im Menschen den Ursprung der Ideen sucht, aber unrecht, wenn er sie aus dem isolierten, als für sich seienden Wesen, als Seele fixierten Menschen, mit einem Worte: aus dem Ich ohne ein sinnlich gegebenes Du, ableiten will. Nur durch Mitteilung, nur aus der Konversation des Menschen mit dem Menschen entspringen die Ideen. Nicht allein, nur selbander kommt man zu Begriffen, zur Vernunft überhaupt.« (ebd.)
In der Sprache schafft sich der Mensch einen geistigen Sinn, die Anthropologie, die seine physiologischen Sinne wesentlich durchdringt und menschlich macht und die bewirkt, daß der Mensch wesentlich Anthropologe ist. Dieser geistige Sinn ist die Anthropologie selbst, so daß die Anthropologie den Menschen erst zum Menschen macht. »Nur das Menschliche ist das Wahre und Wirkliche; denn das Menschliche nur ist das Vernünftige, der Mensch ist das Maß der Vernunft.« (333) Und die Vernunft ist das eigentliche Menschliche. Wirklichkeit und Wahrheit, Sein und Denken sind nun unmittelbar theoretisch eins. Alles findet im Menschen statt. War der Mensch eben noch in Feuerbachs Anthropologie absolutes Objekt, ist er nun auch absolutes Subjekt: »Die Einheit von Denken und Sein hat nur Sinn und Wahrheit, wenn der Mensch als Grund, das Subjekt dieser Einheit gefaßt wird.« Der Mensch als das eigentliche Sein und damit als das eigentliche Objekt ist eigentlich absolute, in der Gesellschaft vergeistige Anthropologie, Subjektivität, in der Form eines endlichen absoluten Idealismus.
Feuerbachs Realisationsprogramm der Philosophie überhaupt endet so in einem absoluten Gegensatz zu Hegels Philosophie. Es ist statt Hegels Theorie des absoluten Subjekts die Theorie des absoluten Objekts; fallen bei Hegel Subjekt und Objekt auf der Subjektseite zusammen, tun dies bei Feuerbach beide auf der Objektseite. Aber Hegels Subjekt- und Feuerbachs Objektseite sind trotzdem vollständig identisch, indem sie nur theoretisch gegensätzlich sind und als Theorie auf der Subjektseite stehen. Feuerbach ist mit seiner Umkehrung nicht realistisch geworden. Er ist zu seiner theoretischen Ausgangsposition zurückgekehrt: Er kritisierte, daß Hegels Philosophie nichts anderes als die Philosophie eines Menschen sei und nicht absolute Wirklichkeit. Nun ist Feuerbachs Anthropologie nichts anderes: absolute Wirklichkeit im Individuum namens Feuerbach. Er hat selbst nicht anders als kreisförmig, als systematisch - was er ja kritisiert - gedacht. Die Realisation der Hegelschen Philosophie ist methodisch und systematisch mißlungen, da sie gar nicht stattgefunden hat. Damit muß auch die Umkehrung in den Blick kommen, denn sie ist das Mittel zur Realisation. Und in der Tat ist der Hauptfehler von Feuerbachs Umkehrung, daß sie unmittelbar vollzogen worden ist. Feuerbachs Umkehrung ist eine Reflexion der ganzen Bewegung der Hegelschen Philosophie, nämlich wie diese durch Abstraktion von der Sinnlichkeit zu sich selbst kommt und bei sich verweilt, bis am Ende sich der Gedanke wieder in die Sinnlichkeit realisiere haben soll. Feuerbach hat also die ganze widersprüchliche Bewegung der Hegelschen Philosophie im Blick, aber nur formal, nicht inhaltlich. Feuerbach setzt nur seine Umkehrung als gegensätzlicher Pol zur Hegelschen Philosophie; seine Position kehrt sich nicht vollständig aus dieser heraus. Der materialistische Standpunkt wird so nur behauptet und nicht hergeleitet. Die unmittelbare Position in der Aufhebung einer vorhergehenden Philosophie ist eine notwendige, aber immer auch undankbare Position. Denn gelobt und beachtet wird der Nachfolger, der auf dem Boden der Unmittelbarkeit die Ernte der Vermittlung einfährt. Dieser Vermittler heißt hier Karl Marx.
IV. Marx' mit Hegel Feuerbach kritisierende feuerbachianische Hegelkritik
Marx ist zunächst Feuerbachianer[8], um mit einem ergänzenden Studium der klassischen Nationalökonomie Hegels Philosophie zu kritisieren. Doch bei diesem Vorgehen stößt er auf Probleme, die ihn veranlassen, mit Hegel Feuerbachs Anthropologie zu kritisieren.[9] Das Resultat dieses zweiten Schritts ist der Beginn von Marx’ eigentlicher Hegelkritik in Form seiner Arbeiten zur Kritik der bürgerlichen Ökonomie. Marx nimmt historisch gesehen eine durch Feuerbach vermittelte Position der Hegelkritik ein[10], wobei sein feuerbachianischer Ansatz ein mit Hegel vermittelter ist, so daß präzise von Marx’ Denkeinsatz als eine mit Hegel Feuerbach kritisierende feuerbachianische Hegelkritik, als eine seine vorhergehenden einseitigen Kritiken in sich aufhebende Kritik zu reden ist. Mit Generalblick auf die Philosophie kann man für Marx folgenden allgemeinen Denkeinsatz bestimmen: Philosophie überhaupt geht in ihren Grund. Sie ist nicht mehr Metaphysik, rationale Theologie und nicht mehr Metaphysikkritik als Erkenntnistheorie; sie ist von Feuerbach als das sich im Menschen denkende Sein entdeckt. An diesem Wendepunkt der Philosophie überhaupt steht Marx. Sein Denkeinsatz ist daher die unmittelbare Reflexion des Wendepunkts der Philosophie überhaupt, des Übergangs des reinen, absoluten Idealismus in den reinen, absoluten Materialismus. Marx’ philosophische Aufgabe ist es, diesen Wendepunkt zu denken.
Weder Marx noch Engels haben diesen Vermittlungsprozeß zwischen Hegel und Feuerbach mit Ausnahme einer Handvoll Hinweise zum Gegenstand ihrer Forschung gemacht. Engels resümiert in Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie: »Über unser Verhältnis zu Hegel haben wir uns stellenweise geäußert, doch nirgends in umfassendem Zusammenhang. Auf Feuerbach [...] sind wir nie wieder zurückgekommen.«[11]
Sie haben sich stattdessen unmittelbar an die Vermittlungsarbeit begeben, deren wesentliche Resultate Marx’ umfangreiche Arbeiten zur Kritik der politischen Ökonomie und Engels’ Studien zu einer materialistischen Dialektik der Natur sind. Es blieb und bleibt darum ihren geistigen Nachkommen überlassen, die Vermittlung zwischen Hegels und Feuerbachs Philosophie neben den wenigen Umkehrungshinweisen anhand der Darstellungsweise in Marx’ und Engels’ Hauptschriften als Vermittlung zu erfassen.[12]
Zu seiner Darstellungsweise hat sich Marx im Nachwort zur zweiten Auflage des Kapital geäußert: »Allerdings muß sich die Darstellungsweise formell von der Forschungsweise unterscheiden. Die Forschung hat den Stoff sich im Detail anzueignen, seine verschiednen Entwicklungsformen zu analysieren und deren inneres Band aufzuspüren. Erst nachdem diese Arbeit vollbracht, kann die wirkliche Bewegung entsprechend dargestellt werden. Gelingt dies und spiegelt sich nun das Leben des Stoffs ideell wider, so mag es aussehn, als habe man es mit einer Konstruktion a priori zu tun.« [13]
Überträgt man Marx’ Unterscheidung auf das vorliegende Problem der Vermittlung von Hegels und Feuerbachs Philosophie als neuer Denkeinsatz, dann entspricht diese Vermittlung der Forschungsweise und die materialistisch-dialektische Methode in Marx’ Arbeiten zur Kritik der politischen Ökonomie und Engels’ Studien zur Naturdialektik entsprechen der Darstellungsweise. Denn die Forschungsweise betrifft nicht allein das Faktensammeln und die Faktenanalyse, zu ihr gehört auch eine Denkmethode, mit der die Fakten gesammelt und analysiert werden können. Marx mußte erst darauf kommen, die Hegelsche Philosophie umzukehren (und zwar anders als Feuerbach), um damit eine neue Art zu denken in Form der politischen Ökonomie zu praktizieren. So unterlag und unterliegt mancher marxistische Forscher dem apriorischen Schein der Darstellungsweise und hat den Hergang derselben aus der Forschungsweise nicht im Blick. Marx und Engels zeigen nur die Resultate der Vermittlung in Form ihrer Schriften, nicht den Weg der Vermittlung selbst. Die Aufgabe besteht also darin, Marx’ und Engels’ Forschungsweise darzustellen, von der Engels schon feststellt: »Die Herausarbeitung der Methode, die Marx’ Kritik der politischen Ökonomie zugrunde liegt, halten wir für ein Resultat, das an Bedeutung kaum der materialistischen Grundanschauung nachsteht.«[14]
Marx selbst löst den apriorischen Schein seiner Darstellungsweise schon mit dem nächsten Satz seines eben zitierten Nachworts auf: »Meine dialektische Methode ist der Grundlage nach von der Hegelschen nicht nur verschieden, sondern ihr direktes Gegenteil.«[15] Die dialektische Methode ist die Darstellungsweise; sie ist nicht a priori, weil sie Hegels dialektische Methode zur Grundlage hat. Das Problem der Forschungsweise und damit das Problem der Vermittlung zwischen Feuerbach und Hegel ist also: Wie kommt es von der Hegelschen zur Marxschen Dialektik? Die Antwort auf diese Frage ist die Reflexion der Marxschen Forschungsweise. Man muß also, um zu Marxens Darstellungsweise, seiner dialektischen Methode zu kommen, seine Forschungsweise begreifen, denn diese führt zu jener, bzw. jene ist Resultat dieser. Marx gibt nun mit der Bezeichnung seiner Darstellungsweise als »nicht nur verschieden von« und als »direktes Gegenteil« der Hegelschen dialektischen Methode, den Wesenszug seiner Darstellungsweise, des Ursprungs und der Herausarbeitung seiner Dialektik aus der Hegelschen an. Zur Klärung dieses Wesenszuges anhand dieser Termini sind Hans Heinz Holz’ Überlegungen zur Umkehrung von Hegels Philosophie maßgebend: »Marx knüpft jedenfalls an die seit Platon und Aristoteles geläufige Unterscheidung von ›Verschiedenheit‹ und ›Unterschied‹ an. Etwas von einem anderen Verschiedenes kann in diesem aufgehen, von ihm aufbewahrt, ganz oder teilweise ausgewertet oder auch abgestoßen werden.«[16]
Eine Weise des Verhältnisses beider Dialektiken zueinander wird von Marx ausgeschlossen. Beide stehen nicht in Verschiedenheit zueinander. Zu anderen philosophischen Methoden, z.B. zu Kants Vorgehen in der Kritik der reinen Vernunft, steht Marx’ Methode in der Weise der Verschiedenheit. So kann Kants empiristische Methode der ›Transzendentalen Ästhetik‹ von Marx aufbewahrt, Kants negativer Schein der ›Transzendentalen Dialektik‹ abgestoßen werden. Zu Hegel kann Marx nur in der Weise des Unterschieds stehen. An diesem Begriff blendet Holz nun die formal-logische Seite aus: »Nur in äußerster Formalisierung, unter Absehen von jedem bestimmten Inhalt, kann Nicht-A als das Gegenteil von A gelten. Jede bestimmte Negation löst sich in der reinen Logik in eine unbestimmte auf, und diese ist dann die bestimmte Negation der unbestimmten Position, die entsteht, wenn in der Formalisierung von den inhaltlichen Bestimmungen des Gesetzten abgesehen und dieses allein als Gesetztes betrachtet wird. [...] Das nicht-formale Gegenteil eines Bestimmten (seine bestimmte Negation) ist hingegen nur aus der konkreten Situation, von der her das Bestimmte sich bestimmt, zu gewinnen.«[17]
Wie Nicht-A im logischen Unterschied zu A formal mit irgendeinem aller möglichen Buchstaben des Alphabets außer A bezeichnet werden kann, so wäre dann Marx’ Dialektik irgendeine aller philosophischen Denkmöglichkeiten, die nicht die Hegels ist. »Das direkte Gegenteil von etwas ist nun aber nicht [...] alles übrige, sondern seine Umkehrung, oder wenn man will, seine spiegelbildliche Version. [...] Zwei Unterschiedene [...] verhalten sich so zueinander, daß sie sich wechselseitig durcheinander bestimmen und eines der entgegengesetzte Ausdruck des anderen - also sein genaues Gegenteil - ist [...].«[18]
Im Gegensatz zum formal Anderen (έτερον) ist der gesamte Inhalt der Hegelschen Logik einzubeziehen und direkt gegenteilig zu denken. ›Direktes Gegenteil‹ ist der logische Begriff, den Marx und Engels andernorts mit »Umstülpung«, »vom Kopf auf die Füße stellen« und »Umkehrung« bezeichnen und der Marx’ Forschungsweise präzise charakterisiert.
Durch diese Bestimmung des Terminus ›direktes Gegenteil‹ kann hier zum Vorverständnis von Marx’ Forschungsweise, d.i. seine Vermittlung von Hegels und Feuerbachs Philosophie, eine grobe Skizze angefertigt werden. Die Hegelsche Methode ist kein Abstraktum, kein für sich stehendes Kapitel oder einzelner Paragraph in dessen Werk; sie durchzieht es vollständig, derart, daß das System der Ausdruck der Methode ist bzw. umgekehrt, daß die Methode die Bewegung des Systems ist.[19] An jedem Ort des Systems verändert sich die Methode formal und inhaltlich gegenüber jedem anderen Ort des Systems. Sie ist dynamisch. Wenn also Marx’ Dialektik das ›direkte Gegenteil‹ der Hegelschen Dialektik sein will, dann hat sie jeden Schritt und jede Stufe in Hegels System formal und inhaltlich umzukehren. Es ist also nicht möglich, das Hegelsche System als Ganzes durch ein Schema umzukehren. Das würde bedeuten, man abstrahierte wie Feuerbach doch wieder von Hegels dynamischer Methode und faßte diese dann in eine reine logische Form und kehrte diese Abstraktion schließlich um. Jeder Umkehrungsschritt ist ein systemlogisch anderer, der seine vorhergehenden Umkehrungsschritte zur Voraussetzung hat und logische Grundlage für die folgenden Umkehrungsschritte für das Hegelsche System ist. Durch diese Vorgehensweise wird die Umkehrung von Hegels System selbst aus der Forschungsmethode in die Darstellungsmethode führen, nämlich dort, wo aus der Phänomenologie des Geistes in Hegels eigentliches System übergegangen wird. Die Phänomenologie des Geistes, die Hegel dazu diente, seinen Denkeinsatz wissenschaftlich herzuleiten und zu beweisen, ist in der Umkehrung des Hegelschen Systems die Herleitung und der Beweis der materialistischen Dialektik als praktische Forschungsmethode.[20] Aber sie ist als dieses Resultat zunächst nur einfach und abstrakt, so daß die Umkehrung - nun wissentlich und bewußt fortgeführt wird mit der Umkehrung des eigentlichen Hegelschen Systems, wie es in der Wissenschaft der Logik und in der Enzyklopädie ausgeführt ist. Diese Umkehrung entspricht historisch nun Engels’ Naturdialektik und Marx’ systematische Kritik der politischen Ökonomie im Kapital. Für das eigentliche System gilt dann das, was Hans Heinz Holz hinsichtlich Lenins Umkehrungsverständnis schreibt: »Wir sehen nun genauer, wie Lenins Konzept, Hegel in den Materialismus zu übersetzen [...], seine Wurzeln in Marx’ Philosophieverständnis hat: Die politische Ökonomie als die Wissenschaft von den materiellen menschlichen Verhältnissen (als Produktionsverhältnissen) ist die Umkehrung der idealistischen Systemphilosophie als Wissenschaft von den kategorialen Verhältnissen (als Manifestation der Arbeit des Begriffs). Dem entspricht - mit dem Blick auf ontologische Fundierungen - die Naturdialektik als Voraussetzung der politischen Ökonomie, so wie in Umkehrung die Philosophie der Natur aus der Wissenschaft der Logik entspringt.«[21]
Der Dialektische Materialismus besteht daher formal aus vier Generalstufen: 1. Beweis der materialistischen Denkmethode als die auf der Höhe allen bisherigen Denkens befindliche; 2. Dialektik der Natur; 3. Dialektik der Geschichte; 4. Dialektik des Wissens.
Marx’ Denkeinsatz ist die Vermittlung der Hegelschen mit der Feuerbachsehen Philosophie. Das Resultat dieser Vermittlung soll die vollständige Umkehrung des Hegelschen Systems in das dialektisch-materialistische sein. Insofern ist die Hegelkritik das Wesen dieser Vermittlung, denn sie trägt die ursprüngliche, auch von Feuerbach umgekehrte Philosophie Hegels in sich. Dennoch muß und hat Feuerbachs Anthropologie ein die Vermittlung wesentlich bestimmendes und daher auch übergreifendes Moment. Formal braucht es nämlich für die Umkehrung des Wendepunkts, der Spiegelachse. Dieser Wendepunkt ist Feuerbachs Anthropologie. Sie selbst ist bereits eine Umkehrung der Hegelschen Philosophie, die aber nicht das erfüllen kann, was sie zu realisieren beabsichtigt, denn sie endet in der zu Hegel verkehrt stehenden Identität von Subjekt und Objekt, von Denken und Sein in der Anthropologie. Ihren Widerspruch deckt Marx’ Umkehrung der Hegelschen Philosophie auf, so, daß er an Feuerbachs Anthropologie unmittelbar anknüpft - aber eben hegelisch-kritisch und insofern vermittelt anknüpft, wie er auch an Hegel unmittelbar anknüpft, aber eben durch Feuerbach vermittelt.
Wir möchten Marx’ Reflexion der Feuerbachschen Umkehrung von Hegels Philosophie in den Kontext des zur Zentralkategorie der Anthropologie Feuerbachs avancierenden Begriffs der Liebe stellen. Indem die Liebe absolut objektiv ist und unmittelbar absolut subjektiv, ist sie die Kategorie, die den logischen Widerspruch des Feuerbachschen Denkens zum Vorschein bringt; zugleich ist sie der Begriff, der Feuerbachs Anthropologie umfaßt: Sie ist zum ersten Objektivität des Menschen, denn alles was ist, ist in der Liebe des Menschen. Die Liebe ist daher das Sein als Objekt. Zweitens ist Liebe gesellschaftliches Tun; sie ist das Zusammenleben der Menschen, das sich auf die physische Zeugung durch Begattung und auf die theoretische Zeugung durch Sprache gründet. Drittens ist Liebe der geistige Sinn, der als Anthropologie alles Sein fundamental durchdringt. Viertens ist die Liebe das Resultat von Feuerbachs Anthropologie; indem aber seine Anthropologie selbst eine Umkehrung der Philosophie Hegels ist, ist die Liebe (eigentlich erstens) auch Feuerbachs vollständiges Umkehrungsprogramm. Das bedeutet, daß sie auch den Teil der Feuerbachschen Anthropologie bestimmt, der die eigentliche und unmittelbare Hegel-Auseinandersetzung betreibt. Wir wollen mit dieser Betrachtung den Blick dafür öffnen, daß diese vier Ebenen der Feuerbachschen Anthropologie, vereint im Liebesbegriff, den vier Generalstufen des Dialektischen Materialismus entsprechen. Es soll hier also dem Gedanken nachgegangen werden, daß diese vier Generalstufen ihren theoretischen Grund im vierfach bedeutungsvollen Liebesbegriff haben - und diese vier Ebenen des Liebesbegriffs der unmittelbare materialistische Reflex auf die vier Stufen des Hegelschen Systems sind. Marx’ Umkehrung ist durch Feuerbachs Umkehrung und durch deren Umkehrungsgegenstand, Hegels Philosophie, historisch und logisch vorgegeben. Der Liebesbegriff ist, für Feuerbach unbewußt, schon dynamisch. Seine Dynamik bildet die Dynamik der Umkehrung des dialektischen Idealismus in den dialektischen Materialismus.
Hans Heinz Holz hat mit Hilfe von Josef Königs fundamentalen Überlegungen die Differenz zwischen dem Seinsbegriff der Philosophischen Anthropologie und dem des Dialektischen Materialismus erfaßt:[22] Von allem Seienden kann gedacht werden, daß es ist. Man denkt ›sein‹, d.h.: ›dieses da ist‹. Da nun alles Seiende als seiend gedacht werden kann, entsteht möglicherweise eine Denksituation, in der von allem ›sein‹ abstrahiert und ›sein‹ für sich, befreit von allem Seienden gedacht wird. Feuerbach faßt so alles, dem das Prädikat ›sein‹ zukommt, unter die Kategorie ›Liebe‹. Liebe ist dann der Gedanke des Seins. In dieser Situation wird ein Gedanke gedacht, der im Gegensatz zu den Gedanken, in denen ›sein‹ gedacht wird, keinen Gegenstand hat. Der abstrakte Gedanke ›sein‹ ist rein das Denken des Seins. Denken und Sein sind in diesem Gedanken identisch. Diese Identität läßt nun die anthropologische Interpretation zu, wonach das Sein selbständig, unabhängig von allem Seienden, und dieses selbständige Sein allein und ausschließlich der Gedanke des Seins ist. Das Sein denkt sich im Menschen im Gedanken des Seins selbst. Das Sein existiert allein als Gedanke von sich im Menschen. Insofern ist das menschliche Denken absolut objektiv und zugleich absolut subjektiv. Wie Denken und Sein in der anthropologischen Interpretation des Gedankens des Seins unmittelbar zusammenfallen, müssen auch Subjekt und Objekt unmittelbar in ihr zusammenkommen. Weil das menschliche Denken absolut objektiv ist, ist nur seiend, kommt nur dem Sein zu, was vom Menschen seiend gedacht werden kann. Bei Feuerbach ist daher nur das seiend, das lieben und geliebt werden kann. Ursprung für Feuerbachs Identität von Denken und Sein, Subjekt und Objekt ist seine Umkehrung der Hegelschen Philosophie. Das Resultat der Philosophie Hegels ist die ideale Identität von Denken und Sein, von Subjekt und Objekt. Dieses Verhältnis kritisierte Feuerbach, indem er aufwies, daß Hegel von Anfang an, von der sinnlichen Gewißheit in der Phänomenologie des Geistes bzw. vom Seinsbegriff in der Wissenschaft der Logik an das Sein durch Abstrahieren absolut ins Denken aufgehoben habe. Darum sei das ganze Hegelsche System abzulehnen. Wie wir aber jetzt wissen, führt die absolute Ablehnung des Hegelschen Systems als Umkehrung ebenso zu einer idealistischen Identität von Denken und Sein, Subjekt und Objekt im Begriff der Liebe. Das Sein als Liebe ist keine reale Objektivität, sondern abstrakte, ungegenständliche, nur interpretierte Objektivität, absolute Identität. Dieser Seinsbegriff ist der Anstoß für Marx, mit Hegel über Feuerbach und damit auch über Hegel hinauszugehen. Das Verhältnis von Sein und Denken ist von Feuerbach zwar thematisiert, aber durch die absolute Negation des Denkens selbst nicht logisch widerspruchsfrei begriffen worden. Feuerbach unterschlägt nämlich den gesamten Abstraktionsakt, der den Gedanken des Seins ergibt. Der Verstand denkt ›sein‹, d.h.: ›dieses da ist‹; die Vernunft bedenkt diese verständigen Gedanken, bzw. das Denken denkt sich selbst, d.h., es denkt sein Verhältnis zum Seienden im Gedanken ›sein‹. Dieser Abstraktionsakt ist also das gesamte philosophische Denken. Feuerbachs Anthropologie negiert es absolut. Sie ist damit ein philosophisch völlig leeres Denken, ein Denken, das sich unmittelbar von aller Philosophie abgelöst hat. Scharf formuliert: Feuerbachs Denken tut nur so, als ob es philosophierte. Nur weil Marx den Abstraktionsakt zwischen Verstand und Vernunft nicht unterschlägt, sondern vollständig durchdenkt, dann erfaßt er das neue, über Hegel hinausgehende Verhältnis von Denken und Sein, von Subjekt und Objekt und gelangt zu einem dialektisch-materialistischen Seinsbegriff. Darum ist eine marxistische Kritik an Feuerbachs Seinsbegriff ebenso wie zu Hegels Seinsbegriff das ›direkte Gegenteil‹; nur bei Feuerbach ist sie es wegen ihrer Unmittelbarkeit zu Hegel unmittelbar, und zu Hegel ist sie es wegen ihrer Vermitteltheit mit Feuerbach vermittelt. Deswegen kann der Dialektische Materialismus nicht unmittelbar mit dem vollständigen Seinsbegriff beginnen, den sie abstrakt durch die Reflexion des Feuerbachschen Liebesbegriffs als Wendepunkt in der Umkehrung der Hegelschen Philosophie erhält. Er muß ihn sich in materialistischer Reflexion der Phänomenologie des Geistes erarbeiten, denn sie ist die Kritik am Feuerbachschen leeren Seins begriff und zugleich die Kritik an Hegels abstrakten Seinsbegriff. Der Feuerbachschen absoluten Vernichtung des Abstraktionsprozesses steht die ganze Geschichte dieses Prozesses in Form der Phänomenologie des Geistes gegenüber. Auf der einen Seite also absolute Leere, auf der anderen vollständige logischen Erfassung dieses historischen Verhältnisses. Dennoch ist Feuerbachs leerer Seinsbegriff, die abstrakte Liebe, der Wendepunkt, die Umkehrung der Hegelschen Philosophie. Denn obwohl in ihm Sein und Denken, Objekt und Subjekt genauso wie bei Hegel zusammenfallen, fallen gerade bei Feuerbach beide Widersprüche genau spiegelverkehrt zusammen. Darin offenbart sich erstmals in der Geschichte der Philosophie der logische Widerspruch in seiner vollständigen Gestalt![23] Feuerbachs Seinsbegriff ist also die von ihm selbst unbegriffene logische Struktur des Idealismus und des Materialismus zugleich.[24] Sein und Denken übergreifen sich gegenseitig, derart, daß aus dem Sein das Denken entspringt, so daß das Sein das Denken übergreift, doch als Übergriffenes hat das Denken das Übergreifen spiegelverkehrt in sich und kann auf dieser Grundlage selbst das Sein übergreifen. Durch Marx’ Reflexion des leeren Seinsbegriffs wird er eine Bewegung, das Modell des Werdens, wie Hegels erste Kategorie seiner eigentlichen Philosophie in Enzyklopädie bzw. Wissenschaft der Logik.
Vom strukturellen Aufbau der Philosophie Hegels und dessen unmittelbarer Umkehrung als Anthropologie kann sich der Dialektische Materialismus, wenn er das ›direkte Gegenteil‹ der Hegelschen Philosophie sein will, nicht befreien. Keine ihrer vier Generalstufen kann ausgelassen oder umgestellt werden. Denn die Vermittlung der Hegelschen mit der Feuerbachschen Philosophie ist streng vorgegeben. Leibniz’ rigueur de la métaphysique muß dem Vermittler Prinzip sein; er muß sich von der Philosophie streng leiten lassen und darf nichts hinzutun.
Aus diesem neuen Seinsbegriff, der durch die Hegel-Feuerbach-Vermittlung gedacht werden kann, entwickeln sich die weiteren Stufen der Vermittlung, die in abstrakter Form in Feuerbachs Umkehrung konkret vorgegeben sind: der Mensch, sein Tun als Lieben, und der liebende Mensch als Anthropologie. Marx skizziert diese Vermittlung in seinen Thesen über Feuerbach: »Feuerbach löst das religiöse Wesen in das menschliche Wesen auf. Aber das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum innewohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse. (6. These)«[25]
Feuerbach macht den Fehler, die Menschheit nicht in ihrer Wirklichkeit als reale in ihrem geschichtlichen Verlauf existierende Lebewesen zu begreifen, sondern er versteht sie abstrakt als Mensch. Damit abstrahiert er von aller Wirklichkeit und hat mit dem Begriff ›Mensch‹ wiederum gleich Hegel mit dessen ›absoluter Idee‹ ein ideales Wesen geschaffen, der Mensch als isoliertes Individuum, das zugleich als Gattung alle menschlichen Lebewesen natürlich untereinander verbindet (vgl. 6. These, Punkt 1 und 2). Feuerbach will die Verdopplung der Welt in eine religiöse und eine weltliche auflösen, doch stattdessen reproduziert er sie neu. »Feuerbach sieht daher nicht, daß das ›religiöse Gemüt‹ selbst ein gesellschaftliches Produkt ist.« (7. These) Er meint, die Religion könne durch seine Anthropologie aufgelöst werden, also eine idealistische Theorie durch eine andere, materialistische Theorie ersetzt werden, womit Religion, Philosophie, Theorie überhaupt realisiert sei. Tatsächlich ist Feuerbachs Anthropologie nur eine Theorie von der Realisation, nicht die Realisation selbst. »Aber daß die weltliche Grundlage sich von sich selbst abhebt und sich ein selbständiges Reich in den Wolken fixiert, ist nur aus der Selbstzerrissenheit und Sichselbstwidersprechen dieser weltlichen Grundlage zu erklären. Diese selbst muß also in sich selbst sowohl in ihrem Widerspruch verstanden als [auch] praktisch revolutioniert werden.« (4. These)
Es bedarf also einer Theorie, die die Wirklichkeit erfaßt und zugleich als Teil dieser Wirklichkeit die Möglichkeit ihrer praktischen Revolutionierung aufweist, die also selbst, wenn auch vermittelt, in die Tat übergeht, sich als Teil derselben versteht und sich darum in dieser bewahrheitet. »Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme - ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muß der Mensch die Wahrheit, i.e. Wirklichkeit und Macht, Diesseitigkeit seines Denkens beweisen.« (2. These)
Das Wesen der Menschheit, das ›ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse‹, realisiert sich in ihrer gegenständlichen Tätigkeit. »Feuerbach will sinnliche - von den Gedankenobjekten wirklich unterschiedne Objekte: aber er fast die menschliche Tätigkeit selbst nicht als gegenständliche Tätigkeit.« (1. These) »Das Höchste, wozu der anschauende Materialismus kommt, d.h. der Materialismus, der die Sinnlichkeit nicht als praktische Tätigkeit begreift, ist die Anschauung der einzelnen Individuen und der bürgerlichen Gesellschaft.« (9. These)
Feuerbachs Anthropologie,. indem sie die Anschauung als Wirklichkeit und damit zum Gegenteil der Idee nimmt, ist bloß passiv, sie selbst interpretiert nur die Welt, sie verändert sie nicht. Das liegt daran, daß er den Menschen eben als passiv, als bloß anschauendes Lebewesen definiert. Seine Interpretation der Welt ist daher ein abstrakter, absolut geistiger Entwurf der Gesellschaft, bürgerliche Metaphysik (vgl. 10. These), die nicht erkennt, daß die eigene Theorie materielle Ursachen hat, die die Theorie zwingen, sich jener enrsprechend zu bewegen, daß Theorie selbst also kein Entwurf mehr sein kann, sondern ein in der Praxis mit derselben metamorphosierendes Modell der Welt: »Die materialistische Lehre von der Veränderung der Umstände und der Erziehung vergißt daß die Umstände von den Menschen verändert und der Erzieher selbst erzogen werden muß. Sie muß daher die Gesellschaft in zwei Teile - von denen der eine über ihr erhaben ist - sondieren.« (3. These)
Der erhabene Teil sind nach Feuerbachs Lehre die Erzieher, die Theoretiker, die passiv die Welt anschauen, sozusagen der nicht-gesellschaftliche Teil der Gesellschaft. Feuerbachs materialistische Theorie manifestiert geradezu die Trennung von Theorie und Praxis. Die wirkliche Praxis wird ihm durch seine Theorie immer ferner. »Das Zusammenfallen des Ändern[s] der Umstände und der menschlichen Tätigkeit oder Selbstveränderung kann nur als revolutionäre Praxis gefaßt und rationell verstanden werden.« (ebd.)
Theorie muß darum selbst als eine Weise der gegenständlichen Tätigkeit, als revolutionär begriffen werden. Darum schließen die Feuerbachthesen mit dem legendären Gedanken: »Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt drauf an, sie zu verändern.« (11. These) Das bedeutet Realisation der Philosophie.[26]
Die Vermittlung von Hegel und Feuerbach gibt der Anthropologie einen anderen systematischen Ort. Indem der Seinsbegriff nicht das Sein selbst ist, indem der Mensch als Denker des Seinsbegriffs nicht das Wesen des Seins ist, kann die Anthropologie auch nicht mehr Universalwissenschaft sein. Sie muß á la rigueur métaphysique als Ort des Wendepunkts von der Dialektik der Natur zur Dialektik der Geschichte gedacht werden. So steht zum Abschluß für den Standpunkt des Dialektischen Materialismus ein Zitat von Hans Heinz Holz: »[...] - da nämlich, wo Selbstbewußtsein im Naturwesen entsteht. Da geht die allgemeine Naturgeschichte in die Menschheitsgeschichte über, ›die Geschichte (ist) nur als Entwicklungsprozeß selbstbewußter Organismen von der Geschichte der Natur verschieden‹[27]. Die Einheit der Welt in ihrer Materialität ist die Voraussetzung dafür, die ›ausnehmende Besonderheit‹ [Josef König; A.H.] der menschlichen Sphäre innerhalb der Natur zu begreifen. [...] Arbeit als Natur-Verhältnis, das heißt als Verhältnis des Menschen zur Natur, definiert diese ›ausnehmende Besonderheit‹. Da es aber das Naturwesen Mensch ist, das sich in der Arbeit zur Natur verhält und dabei sich selbst verändert, geht in den Begriff des arbeitenden, gesellschaftlichen Menschen seine ›Natürlichkeit‹ als Voraussetzung und Bestimmungsmoment ein. Hier hat eine historisch-materialistische Anthropologie, nicht als philosophische Grundwissenschaft (wie es bürgerlich-idealistische Strömungen wollen), sondern als Teildisziplin der Dialektik der Natur ihren wissenschaftstheoretischen Ort.«[28]
[1] Andreas Hüllinghorst, Grundlegendes zur Dialektik von Reform und Revolution, in: Topos 7 (Dialektik-Konzepte), Köln 1996, S. 135-160. Michael Weingarten, Revolution und/oder Reform - eine für um heute falsch gestellte Frage?, in: Topos 9 (Aspekte der Ökonomie), Heft 9, S. 99-110.
[2] Michael Weingarten, Revolution und/oder Reform - eine für uns heute falsch gestellte Frage?, a.a.O., S. 99.
[3] Jeroen Barrels, Materielle Verhältnisse - Praxis - Theorie, in: Bartels/Holz/Lensink/Pätzold, Dialektik als offenes System, Köln 1986, S. 158.
[4] Ludwig Feuerbach, Fragmente zur Charakteristik meines philosophischen curriculum vitae, in: ders., Gesammelte Werke, hg. von Werner Schuffenhauer, Band X, Berlin 1972, S. 155. Im folgenden wird aus verschiedenen Schriften des IX. Bands dieser Ausgabe unter Angabe der Seitenzahl zitiert.
[5] Friedrich Engels, Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Band 21, Berlin 1962, S. 274
[6] Volker Schürmann gibt in seinem Beitrag Variationen über Feuerbachs ›Liberalismus des Raumes‹ Anregungen, diese Denkfigur zu denken. Sein Beitrag erschien in Klenner/Losurdo/Lensink/Battels (Hg.), Repraesentatio mundi. Festschrift zum 70. Geburtstag von Hans Heinz Holz, Köln 1997, S. 471-489.
[7] Dieser Satz ist die vervollständigte Fassung des 1. Satzes des § 34 auf S. 317.
[8] VgI. Friedrich Engels, Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, in: MEW 21, S. 272.
[9] Diese beiden Phasen der Entstehung des Dialektischen Materialismus untersucht neuerdings Sahra Wagenknecht, Vom Kopf auf die Füße? Zur Hegelkritik des jungen Marx oder das Problem einer dialektisch-materialistischen Wissenschaftsmethode, Köln 1997. Ihre Erkenntnisse sind hier vorausgesetzt.
[10] Darum heißt es bei Engels: «Feuerbach. der doch in mancher Beziehung ein Mittelglied zwischen der Hegelschen Philosophie und unserer Auffassung bildet [...].»(Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, a.a.O., S. 263).
[11] Friedrich Engels, Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, a.a.O., S. 263. Engels hat die von ihm herausgegebenen Thesen über Feuerbach von Marx hier nicht berücksichtigt. - Marx ist sich ebenso in bezug auf Hegel dieses Mankos bewußt; vgl. seinen Brief an Kugelmann in MEW 29, S. 260
[12] Hier sei an Jindrich Zelenys verdienstvolle Arbeit Die Wissenschaftslogik bei Marx und›Das Kapital‹, Berlin 1962, erinnert. Zu seinem Tod siehe den Beitrag von Hans Heinz Holz in diesem Heft unter der Rubrik Aus Literatur und Forschung.
[13] Karl Marx, Nachwort zur zweiten Auflage, in: MEW 23, S. 27.
[14] Friedrich Engels, Karl Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie (Rezension), in: MEW 13, S. 474; Hervorhebung von A.H.
[15] Karl Marx, Nachwort zur zweiten Auflage, a.a.O., S. 27.
[16] Hans Heinz Holz, Lenins Programm der Umkehrung, in: Buhr/Sandkühler (Hg.), Philosophie in weltbürgerlicher Absicht und wissenschaftlicher Sozialismus, Köln 1985, S. 86-105; hier S. 87. Vgl. auch ders., Hegel - vom Kopf auf die Füße gestellt. Lenins Kritik der ›Wissenschaft der Logik‹, in: Buhr/Oiserman (Hg.), Vom Mute des Erkennens. Beiträge zur Philosophie G.W.F Hegels, Frankfurt am Main 1981.
[17] Hans Heinz Holz, Lenin Programm der Umkehrung, a.a.O., S. 100.
[18] Ebd., S. 87 f.
[19] Auch Hans Heinz Holz insistiert auf der dialektischen Einheit von System und Methode der Hegelschen Philosophie; vgl. den Punkt 4 seines Diskussionsbeitrags in Hahn/Sandkühler (Hg.), Bürgerliche Gesellschaft und theoretische Revolution - Zur Entstehung des wissenschaftlichen Sozialismus, Köln 1978, S. 242-244; hier S. 243.
[20] Im marxistischen Sprachkontext ist diese Umkehrung die prozessive Beantwortung der Grundfrage der Philosophie. Man darf nicht davon ausgehen, daß man auf die Grundfrage eine einfache Antwort finden könnte, wie es Friedrich Engels im Ludwig Feuerbach. .. für das philosophisch wenig gebildete Publikum getan hat. Die Grundfrage ist der Anstoß für die das ganze bisherige Denken über das Sein rekapituliert werden muß.
[21] Hans Heinz Holz, Lenins Programm der Umkehrung Hegels, a.a.O., S. 90.
[22] Siehe Hans Heinz Holz, Exkurs zur ontologischen Kritik der philosophischen Anthropologie, in: Dialektik und Widerspiegelung, a.a.O., S. 117-126; ebenso in diesem Heft die Abschnitte IV und V seines Beitrags Zur Kritik der philosophischen Anthropologie. Ich fasse mich hier kurz, da diese beiden Abschnitte meinen Gedankengang fundieren.
[23] An dieser Stelle möchte ich eine Kritik an Sahra Wagenknechts Denkweise in Vom Kopf auf die Füße?, a.a.O., äußern. Wagenknecht zeigt das Verhältnis von Hegel, Feuerbach und Marx vom vollendeten marxistischen Standpunkt aus. Also zeigt sie es bloß negativ. Sie sieht in Marx' Entwicklung immer nur das, was noch an der vollendeten marxistischen Position fehlt, weshalb sie diese Position eigentlich nicht entwickelt, sondern nur andere Theoriekonzepte als unvollendet kritisiert. Sie sieht daher die Entwicklung, die Marx durchmacht, nicht positiv, nicht inwieweit Marx mit Feuerbach über Hege! und mit Hege! über Feuerbach hinausgekommen ist. Feuerbach tritt in ihrer Argumentation in progressiver Form nicht auf. Dort wo sie ihm einen richtigen Einfall zugibt, hebt sie sofort die ›Falschheit‹ desselben hervor. Sie erkennt in seiner Anthropologie nicht die zur marxistischen Hegelkritik notwendigen Reflexionsstufen.
[24] Feuerbach ist ja als Übergang zur Anthropologie eine Anthropologie in der Form der Hegelkritik. Vgl. den Anfang des Kapitels III in diesem Beitrag.
[25] Die Thesen über Feuerbach werden nach MEW 3, S. 5-7 zitiert.
[26] Vgl. dazu auch Jos Lensink, Materialistische Dialektik. Aufhebung der Philosophie überhaupt, in: Topos, Heft 5, Dialektik-Konzepte, Bonn 1996, S. 37-59.
[27] Engels, Notizen und Fragmente, in: MEW 20, S. 504
[28] Hans Heinz Holz, Dialektik und Widerspiegelung, Köln 1983, S. 111 f.
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