Sonderheft 1
Ansgar Knolle-Grothusen und Peter Hartmann
Umrisse einer ökonomischen Analyse des Kapitalismus heute
Inhalt
I. Der Kapitalismus als gesellschaftliches Verhältnis und seine Funktionsweise
II. Kapital und Staat
III. Grundlinien der historischen Entwicklung des Kapitalismus bis heute
1. Unterordnung und Auflösung vorkapitalistischer Produktionsverhältnisse
2. Verwandlung der Mehrheit der Bevölkerung in Lohnabhängige und Veränderungen in der Struktur und Zusammensetzung der Arbeiterklasse
3. Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit, das Kapital als Schranke ihrer Entwicklung
4. Der Weltmarkt
5. Konzentration und Zentralisation des Kapitals, Konkurrenz und Monopol, kapitalistische Vergesellschaftung der Produktion
6. Industrielles Kapital, zinstragendes Kapital, Spekulation
7. Großes Kapital, kleines Kapital und Staat
IV. Reflexe dieser Entwicklung im bürgerlichen Diskurs
1. Keynesianismus und Neoliberalismus - zwei Komponenten der bürgerlichen Ökonomie im Rahmen sich verändernder Verwertungsbedingungen
2. Die Richtungen der bürgerlichen politischen Ökonomie - Spiegelbild und Zerrspiegelbild der Realität und ihr Einfluß auf die Arbeiterbewegung
V. Einige Schlußfolgerungen zum Problem von Produktion und Verteilung
Vorbemerkung
Das Motiv, das zur Entstehung der vorliegenden Arbeit geführt hat, liegt in einem Unbehagen mit der Art und Weise, wie die gegenwärtigen Entwicklungstendenzen des Kapitalismus in der marxistischen Theoriebildung reflektiert und diskutiert werden. Besonders Fragen der Weltmarktentwicklung, der Transnationalisierung des Kapitals, möglicher Veränderungen des Verhältnisses zwischen den transnationalen Kapitalen und den Nationalstaaten und daraus folgende Veränderungen im Verhältnis der kapitalistischen Staaten zueinander, der Durchsetzung neoliberaler Politikkonzepte, werden in ihrer Bedeutung und ihren Konsequenzen kontrovers eingeschätzt. Dabei geht die Debatte aus von empirisch feststellbaren Veränderungen in ökonomischen und politischen Einzelphänomenen, die unmittelbar verallgemeinert als Beweis genommen werden für diese oder jene behauptete Veränderung der ökonomischen und politischen Struktur, oder unbesehen in die Zukunft fortgeschrieben als Basis für Entwicklungsprognosen dienen. Die Frage, wie diese empirisch wahrnehmbaren Oberflächenerscheinungen mit den zugrundeliegenden ökonomischen Gesetzmäßigkeiten und Kategorien vermittelt sind und welche Aussagekraft sie daher haben, wird häufig gar nicht mehr gestellt. Selbst auf der Ebene der Empirie wird häufig nicht mehr zwischen Erscheinungen, die in bestimmten Phasen des industriellen Zyklus auftreten und überzyklischen Tendenzen unterschieden.
Dieser Debatte einen tragfähigen Boden einzuziehen ist unser Anliegen. Wir meinen mit dieser Arbeit ein Gerüst vorlegen zu können, das eine Hilfestellung liefert, mit der das umfangreiche Material empirischer Fakten auf die dahinterliegenden ökonomischen Kategorien und Gesetzmäßigkeiten rückbezogen werden kann. Mögliche Schlußfolgerungen und politische Konsequenzen sind in der Regel nur angedeutet und nicht ausgearbeitet.
Ausgehend von den grundlegenden Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Produktionsweise versuchen wir in dieser Arbeit eine Darstellung der Grundlinien der historischen Entwicklung des Kapitalismus bis in unsere Zeit und der damit verbundenen Modifikationen in der Erscheinungsform der grundlegenden Gesetzmäßigkeiten. Hieran anschließend untersuchen wir die Entwicklung der bürgerlichen Ökonomie in ihren wichtigsten Schulen, deren Konjunkturen die sich verändernden Verwertungsbedingungen des Kapitals reflektieren, und ihren Einfluß auf die Arbeiterbewegung und andere kapitalismuskritische Strömungen. Der Schlußabschnitt beschäftigt sich mit den Problemen der Forderungen nach Verteilungsgerechtigkeit und benennt einige strategische Konsequenzen, die sich u. E. aus unserer Untersuchung ergeben, Konsequenzen über diejenigen hinaus, die schon in den jeweiligen Abschnitten angedeutet wurden
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