TOPOS 27

Welt-Sichten


Inhalt

AUFSÄTZE

 

Renate Wahsner: Die beseelte Natur und der sinnliche Mensch. Widerlegt die heutige Gesellschaft das neuzeitliche Welt- und Menschenbild?

 

Wolfgang Jantzen: Von Marx lernen, wie man Wissenschaft macht ...

 

Hans Heinz Holz:

Philosophisch-politische Perspektiven des Marxismus heute

 

Wolfgang Beutin: Dantes laikale Weltsicht in der »Monarchia« und »Divina Commedia«

 

Thomas Metscher: Diesseitigkeit und Realismus. Zur philosophischen Bedeutung der Lessingschen Dramaturgie

 

LITERATUR UND FORSCHUNG

 

Robert Steigerwald: Neue Literatur zu Ludwig Feuerbach

 

Christoph Hubig/Jörg Zimmer: Unterschied und Widerspruch. Perspektiven auf das Denken von Hans Heinz Holz. Inhaltsverzeichnis und Vorwort

 

AUS DEN ARCHIVEN

 

Joachim Schickel: Die Welt der Hopi-Sprache

 


Editorial

Mit dem Topos »Welt-Sichten« wird nicht jener Pluralismus bedient, der die Beliebigkeit zur Maxime einer Herrschaftsideologie erhoben hat, mit der sich gesellschaftliche Widersprüche ebenso wie soziale Interdependenzen entkräften und ausblenden lassen. Vielmehr geht es um Einsichten in den »Gesamtzusammenhang«, in dem unsere Welt steht und der auf vielfältigste Weise widergespiegelt wird. Diesen Zusammenhang zu sichten, ihn in seiner dialektischen Bewegung zu erfassen und nachzuzeichnen, gehört zum Proprium philosophischer Reflexion und fordert alle Wissenschaftsbereiche heraus. Ein erkenntnisrelevantes Verständnis des Pluralen zielt primär nicht auf Konkurrierendes, sondern insistiert auf Kongruierendem, das in der übergreifenden Korrespondenz des Vielfältigen gründet. So gewiß die Welt aus ganz unterschiedlichen Perspektiven gesehen werden kann, die ihrerseits - im Politischen nicht weniger als im Persönlichen - auch zu ganz unterschiedlichen Konsequenzen führen (Joachim Schickel), es ist die im Widerspruch gehaltene Einheit der Welt, die auch widersprüchliche Welt-Sichten aufeinander bezogen sein läßt. Die aber koexistieren nicht in unabänderlicher Komplementarität, sie werden vielmehr im geschichtlichen Prozeß ihrer Aufhebung in weiterreichende Einsichten transformiert. Das gilt für das Welt- und Menschenbild (Renate Wahsner, Wolfgang Beutin, Thomas Metscher) ebenso wie für die Perspektiven der Psychologie (Wolfgang Jantzen), sofern sie mit ihrem Blick nach innen auch die gesellschaftlichen Bedingungszusammenhänge ausleuchtet. Und das gilt vor allem auch für die Philosophie (Hans Heinz Holz), die im Marxismus den reinen Intellektualismus überwunden hat und zu einer Natur und Geschichte umgreifenden Orientierungswissenschaft geworden ist. Welt-Sichten, immer auch von Interessegeleitetem geprägt und von Voluntativem mitbestimmt, verändern sich, aber weder rein zufällig noch völlig regellos. Weil sie ihr Entstehen letztlich geschichtlichen und damit zugleich gesamtgesellschaftlichen Bedingungen verdanken, bleibt auch ihre Spezifik und ebenso ihre Entwicklung an diese Konditionen gebunden - selbst dann, wen sie deren Grenzen überschreiten und damit neuen Bedingungen den Weg bereiten. Und es gehört zur Dialektik dieser Bewegung, daß sich mit dieser Veränderung zugleich jene subjektiven Einbindungen verändern, die auch dort zum Tragen kommen, wo sich Welt-Sichten zu »Weltanschauungen« verdichten (Steigerwald). An den in diesem Heft publizierten Beiträgen wird zudem deutlich, inwiefern auch der Blick ins Detail eine komplexe Weltsicht zur Voraussetzung hat bzw. auf diese hinführt. Welt-Sichten sind perspektivische Modelle, deren infrastrukturelle Vielfältigkeit auf eine übergreifende Gesamtstruktur hinweist, die auch im Fokus des Besonderen verifizierbar wird.

In eben diesem Zusammenhang ist auf zwei Veröffentlichungen hinzuweisen, die das Thema »Welt-Sichten« paradigmatisch exegesieren. Domenico Losurdo, der kürzlich seinen 65. Geburtstag beging, hat eine umfassende Nietzsche-Biographie veröffentlicht (»Nietzsche, il ribelle aristocratico. Biografia intellettuale e bilancio critico«), die Ende 2007 im Hamburger Argument-Verlag in deutscher Sprache erscheinen wird. Und zum 80. Geburtstag von Hans Heinz Holz erscheint im Februar 2007 im Kölner Verlag Jürgen Dinter der von Christoph Hubig und Jörg Zimmer herausgegebene Band »Unterschied und Widerspruch. Perspektiven auf das Denken von Hans Heinz Holz«.

 

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