TOPOS 26

Helmut Walenta

Mitschrift aus der Vorlesung »Völkerrecht« von Wolfgang Abendroth - Jena 1948


Vorbemerkung der Redaktion

Aus der frühen Lehrtätigkeit Abendroths gibt es die stenographische Mitschrift einer Vorlesung über Völkerrecht, die er im Wintersemester 1948/49 an der Universität Jena gehalten hat. Die von Assessor Helmut Walenta vorgenommene Übertragung wurde von Abendroth nicht überarbeitet und folglich auch nicht autorisiert; sie kann also nicht in voller Authentizität als ein originaler Abendroth-Text angesehen werden. Indessen gehört es zur wissenschaftlichen Überlieferung, solche Quellen aus zweiter Hand zu nutzen - wie z.B. die Vorlesungsnachschriften der Hegel-Schüler. Die Abendroth-Vorlesung ist von besonderem Interesse, weil sie unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg, als bereits die internationalen Spannungen des Kalten Kriegs die neue Völkerrechtsordnung der UN überschatteten, die heikle Frage aufnahm, wie sich der Ursprung des Völkerrechts aus der Vertragshoheit souveräner Staaten zu den in jedem rechtlichen Verkehr vorausgesetzten und in jede Vertragsform a priori eingehenden Rechtszwecken verhalte. Abendroth hat die zwei Schichten der politisch-sozialen Herkunft und der juristischen Form des Rechts klar auseinandergehalten. Für das Völkerrecht spitzt sich ihm dieses Problem auf die jeweils historische Gestalt des ordre publique international (opi) zu. Wir dokumentieren zu diesem Thema Auszüge aus der Vorlesung vom 25. November 1948 und die beiden Vorlesungen vom 26. und 30. November 1948. Die gesamte Vorlesungs-Nachschrift ist von Friedrich-Martin Balzer in die Sammlung seiner CD »Abendroth für Einsteiger und Fortgeschrittene« aufgenommen worden.

 

[25. November 1948] (...)

Die Probleme im System des heute geltenden Völkerrechts

Die Grundfrage des Systems der heutigen Völkerrechtsordnung ist die nach den Quellen diese Rechtsordnung. Nur wenn wir diese feststellen können, werden wir in der Lage sein, ein konkretes völkerrechtliches Problem zu lösen und den Aufbau des heutigen Systems darzustellen. Ganz von dem Streit der Schulen abgesehen, haben wir heute im positiven Völkerrecht eine Norm, die uns etwas über dieses Quellenproblem sagt. Art. 38 des Statuts des Internationalen Gerichtshofes, der aus dem früheren Art. 38 der Satzung des früheren ständigen Gerichtshofes des Völkerbundes hervorgegangen ist, sagt etwas darüber aus. Dieser Art. 38 bindet nur die Staaten, die sich zu seiner Anerkennung verpflichtet haben. Er bindet sie formell zunächst auch nur insoweit, als ihre rechtlichen Auseinandersetzungen vor dem Internationalen Gerichtshof davon betroffen werden. Er ist also positives Recht nur für die Vertragsbeteiligten und nur insoweit, als sie sich auf die formale Anerkennung dieses Artikels verpflichtet haben. Praktisch werden wir aber doch sagen können, daß der Art. 38 nichts anderes ausspricht als den gemeinen Willen aller Staaten der Völkerrechtsgemeinschaft überhaupt, denn jeder Staat hat diesen Artikel irgendeinmal anerkannt. Das bedeutet, daß es eine allgemein anerkannte Rangordnung der Völkerrechtsquellen gibt.

Der Art. 38 besagt: Der Gerichtshof soll anwenden:

- Internationale Abkommen, allgemeine wie besondere, die von den streitenden Staaten anerkannt sind und allgemeine Regeln aufstellen,

- Internationales Gewohnheitsrecht,

- die allgemein von zivilisierten Nationen anerkannten Rechtsgrundsätze,

- unter Vorbehalt der Bestimmungen des Art. 59 Gerichtsurteile und die Lehren der höchstqualifizierten Publizisten der zivilisierten Nationen als Hilfsmittel zur Feststellung der Rechtsregeln. (...)

Beide höchstrichterliche Organisationen der Völkerrechtsgemeinschaft haben trotz der Entwicklung nach dem Ersten Weltkrieg die Struktur der Völkerrechtsgemeinschaft als solche einer Gemeinschaft lediglich intersouveränen Charakter und für unveränderlich gehalten.

Der heutige Internationale Gerichtshof wird nach meiner Meinung trotz aller Änderungen an dieser Auffassung festhalten. Die konstruktiven Verschiedenheiten zwischen den Großmächten der heutigen Völkerrechtsgemeinschaft haben immer dazu geführt, daß sowohl die Sowjetunion als auch die USA (bei den Verhandlungen zur Gründung der UN) den Grundsatz der Souveränität betonen. Diese Grundbetrachtung bedeutet aber nicht und kann nicht bedeuten, daß es keinerlei Rechtsregeln gibt, die den freien Willen der Staaten entzogen sind. Wir haben bereits gesehen, daß es kein Rechtssystem gibt, das nicht die Geltung bestimmter einzelner Grundsätze voraussetzen muß. Diese Grundsätze müssen vom Willen der am Recht teilnehmenden Subjekte unberührt bleiben und von diesen anerkannt werden. Im Lotus-Streit wurde über die Aufgaben des Völkerrechts gestritten, und es hieß, daß die Völkerrechtsgemeinschaft als existierende Gemeinschaft anerkannt werden muß, wenn überhaupt eine Völkerrechtsordnung funktionieren soll. Daher hat der ständige Gerichtshof wie auch der ständige Internationale Gerichtshof sich in anderen Entscheidungen sehr deutlich dahin ausgesprochen, daß bei aller Anerkennung des Grundsatzes bloß intersouveränen Völkerrechts doch einige Normen als öffentlich-rechtliche Normen des Völkerrechts respektiert werden müssen, wenn nicht die Völkerrechtsordnung als Ganzes aufhören soll zu existieren. Der Streit um die Rechtsquellen des Völkerrechts stellt sich daher konkret als Kampf um den materialen Ausdehnungsbereich dieser Grundnormen, der ordre publique internationale, dar. (...)

Das führt zu den Fragen zurück, die die soziologische Jurisprudenz in unserem Jahrhundert aufgeworfen hat (E. Kantorowicz: »Kampf um die Rechtswissenschaft«, 1907). Wir dürfen aber dabei nicht die soziologische mit der juristischen Betrachtungsweise verwechseln, also die Normen nicht mit ihrer Grundlage, sondern wir müssen uns klar darüber bleiben, daß wir bei der Ermittlung solcher Normen zwar von dem realen gesellschaftlichen Bedürfnis, zu dessen Befriedigung die Normen geschaffen sind, ausgehen müssen, daß wir dann aber innerhalb des Normensystems als Juristen zu denken haben und es auch nach juristischen Gesichtspunkten zu ordnen haben. Dabei müssen wir es immer wieder mit seinen Zwecken in Beziehung setzen. Es ist aber nicht mit seinem Zweck identisch. Dieser Gefahr, die soziologische Grundlage, auf der sich die Rechtsordnung erhebt, mit dieser selbst zu verwechseln, ist die soziologische Jurisprudenz nie ganz entgangen. In der Rechtssprechung haben allerdings die Vertreter diese Richtung diese Grenzen einzuhalten verstanden. Karl Renner, der heutige österreichische Staatspräsident, einer der damaligen Führer im Kampf um die Einführung des Marxismus in die Rechtswissenschaft, hat 1907 darauf hingewiesen, daß die gesellschaftswissenschaftliche Betrachtung zwar am Anfang rechtswissenschaftlicher Überlegungen stehe, daß aber die eigentliche Rechtswissenschaft jenseits dieser Betrachtungen liege. Seine Schrift über die Rechtsinstitute des Privatrechts und ihre sozialen Grundlagen ist aus diesem Grunde auch für die Völkerrechtswissenschaft außerordentlich interessant und wesentlich geworden. Paschukanis hat 1922 in seiner »Allgemeinen Rechtslehre« diese Gedanken weiter ausgebaut und für die Völkerrechtswissenschaft fruchtbar gemacht. Wir müssen uns klar darüber bleiben, daß die Rechtswissenschaft in den Bereichen ihrer Betätigung, in denen sie durch die positive gesetzgeberische Tätigkeit der Staaten nicht allzu sehr beschränkt ist, immer wieder sehr klar zwischen Norm und Objekt der Norm unterscheiden muß. Die Rechtswissenschaft selbst ist keine Soziologie und kann aus der soziologischen Betrachtung nur ableiten, von welchen Grundnormen sie ausgehen will. Dabei müssen wir erkennen, daß eine statische Betrachtung des Bereichs der ordre publique internationale im Völkerrecht unmöglich ist. Es gibt sicher einige Grundnormen des Rechts, die überall dort Geltung besitzen müssen, wo eine Rechtsordnung existiert. Aber wie weit im übrigen diejenigen Normen, die eine konkrete Rechtsordnung beherrschen, Allgemeingültigkeit beanspruchen können, ist verschieden. Es richtet sich danach, welche Probleme die konkrete Rechtsordnung in der Wirklichkeit zu lösen hat. Sowohl das christliche als auch das rationalistische Naturrecht haben diese ständigen Veränderungen in der soziologischen Grundlage in der konkreten Ordnung nicht berücksichtigt und sind in der Praxis daran gescheitert. Sobald wir diese soziologische Gebundenheit einer konkreten Rechtsordnung vergessen, geraten wir in Versuchung, den Bereich naturrechtlicher Normen zu weit auszudehnen und uns in Lösungen von Einzelheiten zu verlieren, die bei veränderten Umständen nicht bestehen bleiben können.

Das Völkerrecht ist, weil sich die Beziehungen innerhalb der Völkerrechtsgemeinschaft im Laufe der Geschichte immer wieder verengt haben, in viel höherem Maße werdendes Recht als eine konkret fixierte Rechtsordnung. Denn bis heute ist es nicht gelungen, diejenigen Fragen, die für den Zusammenhalt der internationalen Gemeinschaft der Völker unbedingt notwendig sind, zu lösen. Der innere Widerspruch zwischen der stets anwachsenden Interdependence der Staaten im Zeichen des wachsenden Weltverkehrs und der Struktur der Staaten, die stets auf Ausdehnung ihrer Souveränität drangen, wächst noch an. Deshalb konnte es bisher nicht möglich sein und wird es wohl in der nächsten Frist nicht möglich sein, eine objektive Rechtsordnung zu konstruieren, die sich innerhalb der ganzen Völkerrechtsgemeinschaft praktisch durchsetzen kann und gleichzeitig alle Grundprobleme dieser Rechtsordnung zufriedenstellend löst. Weil das Völkerrecht werdendes Recht ist, wird man auch bei der Begrenzung des Bereichs der wenigen Rechtssätze, die dem Völkervertragsrecht vorgeschaltet sind, nicht statisch verfahren können, sondern man wird aus dem ständigen Kampf zwischen der werdenden objektiven internationalen Rechtsordnung und dem von den Parteien gestalteten Völkerrecht jeweils der konkreten Entwicklung nachzugehen haben. (...)

[26. November 1948]

 

Wir haben die Ordre Publique-Klausel nach zwei Grundgedanken hin zu bestimmen. Das heutige soziologisch zu bestimmende Naturrecht schränkt die positive Rechtsetzung der Staaten nur ein, ersetzt sie aber nicht, wie es das rationalistische Naturrecht wollte. Im nordamerikanischen Rechtskreis hat erst die general claims commission im Streit mit Mexiko den Schritt vom rationalistischen Völkerrecht weg getan. Seit der Mitte der 20er Jahre entwickelt sich die Rechtsprechung der internationalen Schiedsgerichte und des IGH in dieser Beziehung gleich. Inhaltlich handelt es sich um folgendes: Die erste Aufgabe ist, festzustellen, welche Sätze erforderlich sind, um die Abgrenzung von Interessenkonflikten der Völkerrechtssubjekte untereinander überhaupt zu ermöglichen. Wir müssen klären, welche Interessen der Völkerrechtssubjekte verdienen, als schützenswert anerkannt zu werden. Die zweite Aufgabe ist ganz anderer Natur: Dabei ist festzustellen, welche Sätze übervertraglicher Natur erforderlich sind, um die gemeinschaftlichen Ziele, die sich die Staaten der Völkerrechtsgemeinschaft setzen, verwirklichen zu können (common aims).

Die erste Frage betrifft im Grunde die gesamte Problematik des internationalen Völkerrechts. Wir müssen den Souveränitätsgedanken aber dort enden lassen, wo er mit der Koexistenz der Staaten in Konflikt gerät. Daher muß der Satz unbedingt als geltende Norm anerkannt werden: pacta sunt servanda. Carl Schmitt hat in seiner Verfassungslehre 1928 den Rechtssatzcharakter dieser Formel bestritten und gemeint, daß dieser Satz im Grunde nur ein Gemeinplatz sei. Wir können ihm dabei aber nicht folgen. Wenn wir uns überhaupt mit der Geltung von Verträgen befassen, so müssen wir logischerweise diesen Satz als Norm voraussetzen. Tatsächlich ist die Geltung dieser Norm, soweit es überhaupt Völkerrechts- oder ähnliche Gemeinschaften in der Weltgeschichte gegeben hat, immer als geltende Norm anerkannt worden. Mit diesem Satz ist aber noch nicht sehr viel gesagt, denn es geht weiter darum, wenn ein pactum vorliegt, das gehalten werden muß. Wir müssen im Bereich der opi festzustellen suchen, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, wenn eine Willensneigung der Staaten vorliegen soll und ferner, welche Grenzen dieser Willenseinigung gesetzt sind. Daher folgt, sobald wir den Satz, daß Verträge zu halten sind, als Norm begreifen wollen, mit Notwendigkeit die Frage, wer möglicher Partner eines solchen Vertrages sein kann. Es ist die Frage danach, wer Rechtssubjekt ist und Verträge abzuschließen vermag. Wir erkennen dabei, daß der Charakter des Rechtssubjekts in den verschiedenen Phasen der völkerrechtlichen Entwicklung durchaus nicht gleichgeblieben ist. Daraus ersehen wir, daß wir auch hier mit einer rationalistischen oder christlichen statischen naturrechtlichen Betrachtung nicht über die bloße Formel hinaus zu gelangen vermögen, und daß wir schon an diesem Punkt in konkrete historische und soziologische Überlegungen einsteigen müssen. Der Satz ist in jeder Phase der Völkerrechtsgeschichte zu finden, und ebenso notwendig ist ihm immer nur eine Schranke gesetzt gewesen. Es gibt kein pactum, das ewig halten könnte, auch wenn seine Voraussetzungen entfallen wären. So etwas gibt es auch in keiner Privatrechtsordnung der Welt. Deshalb steht dem Satz pacta sunt servanda stets der Gedanke der clausula rebus sic stantibus entgegen. Als Juristen müssen wir aus der Logik des Rechtssystems heraus bestimmen, unter welchen Umständen die Vereinbarungen, die zu halten Aufgabe der Staaten ist, entfallen sind. Wir müssen zu erkennen versuchen, wo die zeitliche und voraussetzungsgemäße Grenze liegt, bis zu der sich die Staaten durch eine Willenseinigung verpflichtet haben. Wir müssen weiter feststellen und vielleicht schon vorher, wann überhaupt eine rechtlich verbindliche Willenseinigung zustande gekommen ist, wann also die Subjekte der Völkerrechtsordnung aus dem Stadium bloßer Vorverhandlungen zu einem echten Vertrag vorgedrungen sind. Wir können diese Frage nur lösen, wenn wir voraussetzen, daß in der Völkerrechtsgemeinschaft verschiedene Subjekte existieren, die Verträge miteinander abschließen können, und die als gleichwertige Subjekte einander gegenüberstehen. Damit kommen wir zu dem Grundproblem jeder Rechtsordnung (Siehe Hegel, Rechtsphilosophie, 1821: »In jeder Rechtsordnung muß vorausgesetzt werden, daß jedes beteiligte Subjekt anerkennt, daß auch die anderen beteiligten Subjekte Rechtspersonen sind und als solche respektiert werden müssen.« Auf diesen Gedanken hat Mitteis (1889-1952) in jüngster Zeit sehr scharf hingewiesen und meiner Meinung nach mit vollem Recht). Nur vermittels dieser Überlegungen kommen wir zu einer ganzen Reihe von Sätzen, die die Grundrechte der Staaten betreffen. Das wesentliche an dieser Fragestellung im Völkerrecht ist, daß im Laufe der historischen Entwicklung in einer sehr langen Periode, die auch heute noch nicht abgeschlossen ist, die Staaten als Personen und dementsprechend Rechtssubjekte in der Völkerrechtsgemeinschaft aufgetreten sind. Hier müssen wir soziologisch weiter untersuchen, wer Person im Sinne der Völkerrechtsordnung ist. Dabei finden wir, daß in der Geschichte der europäischen Völkerrechtsordnung von vornherein einige nichtstaatliche Gebilde vorhanden gewesen sind, die Rechtssubjekte waren. Die Bedeutung dieser Subjekte ist in letzter Zeit sehr gewachsen. Wir werden bei unseren Überlegungen auf die Hegelsche Formulierung zurückgehen können, werden dabei aber mit soziologischen Überlegungen jeweils festzustellen haben, wer Person im Sinne dieser Rechtsordnung ist. Soviel zu dem Problem der Bestimmung der Sätze des intersouveränen Völkerrechts. Das sind also die Sätze, die aus dem Gesichtspunkt des Respekts und des Ausgleichs der rechtlich geschützten Interessen der Rechtssubjekte erwachsen.

Bei der zweiten Gruppe von Sätzen, die aus der opi gewonnen werden müssen, müssen wir fragen, was der Verwirklichung der gemeinschaftlichen Zwecke der Staatenwelt dient. Gemeinschaftliche Zwecke liegen schon insoweit, allerdings nicht in klar gestalteter Form vor, als überhaupt eine Interessengemeinschaft der Staaten entsteht, die eine Völkerrechtsordnung notwendig macht. Gemeinschaftlicher Zweck der Periode bloß intersouveränen Völkerrechts ist die Ermöglichung der Koexistenz der zur Gemeinschaft gehörenden Staaten, d. h. die Ermöglichung einer Friedensordnung zwischen diesen Staaten, die verhindert, daß jeder Konflikt die Rechtsgemeinschaft sofort und völlig sprengt. Aber mit dieser sehr wenig gestalteten gemeinschaftlichen Zwecksetzung kommen wir, wie wir in der rechtsgeschichtlichen Betrachtung gesehen haben, in der jüngeren Geschichte des Völkerrechts nicht mehr aus. In dieser Zeit erweitern sich die gemeinschaftlichen Zwecke eben dadurch, daß die Interessenverflechtung der Staaten erst nur der alten Völkerrechtsgemeinschaft und dann des gesamten Erdballs immer größer wird, daß immer größere gemeinsame Aufgaben bewältigt werden müssen, weil inzwischen Weltmarkt und Weltverkehr alle Staaten in immer engerer Weise miteinander verbunden haben. Ständig machen sich neue Verwaltungsgemeinschaften der Staaten notwendig, um mit diesen Fragen fertig zu werden. Es wird daher notwendig, diese common aims auch bei den Bemühungen der Staaten, das Völkerrecht durch Verträge zu gestalten, wesentlich stärker zu berücksichtigen. Die Zwecksetzung der common aims hat sich immer mehr erweitert. Aus ihnen erwächst infolge der eingetretenen Veränderungen in der soziologischen Grundlage der Völkerrechtsgemeinschaft auch die Notwendigkeit, das bisher völlig unbestrittene ius belli ac pacis der Staaten umzugestalten und neu zu bestätigen. In der Zeit des Absolutismus waren Kriege als Mittel des Interessenausgleiches innerhalb der Völkerrechtsgemeinschaft möglich. Heute haben sie einen so vernichtenden Charakter angenommen, daß sie die gesamte Existenz der Völkerrechtsgemeinschaft in Frage stellen. Gerade das Problem des Krieges hat die Haager Friedenskonferenz notwendig gemacht. Auf Grund der Erfahrungen des Ersten Weltkrieges schien der Völkerbund erforderlich, dann traten die Staaten zum Briand-Kellogg-Pakt zusammen, und diese Frage hat jetzt zu wesentlichen Verbesserungen des Kriegsverhütungsrechts durch die Satzung der UN Anlaß gegeben. Aber diese Verbreiterung der gemeinsamen Ziele, die nicht nur mehr den barbarischen Charakter der Kriege begrenzen, sondern überhaupt und unter allen Umständen den Krieg vermeiden will, ist nur ein Beispiel aus der Menge ähnlicher Probleme. Auch die ständige Verengung des Verkehrsnetzes und die Verflechtung der Produktivkräfte der verschiedenen Nationen läßt die Verfolgung dieser gemeinsamen Ziele als unbedingt erforderlich erscheinen. Derartige common aims ergeben sich nicht nur für die Völkerrechtsgemeinschaft als Ganzes, sondern auch für einzelne Gruppen von Staaten innerhalb der Völkerrechtsgemeinschaft, und es ist gerade das Kennzeichen der neuen Entwicklung der Völkerrechtsgemeinschaft, daß sich derartige gemeinsame Ziele in regional gebildeten Gruppen entwickelt haben. Weil das so ist, werden wir häufig überlegen müssen, ob sich nicht für diese in regionalen Interessengruppen zusammengeschlossenen Staaten auch Sätze der opi ergeben, die nur sie untereinander binden, während die anderen Staaten der Völkerrechtsgemeinschaft diesen besonderen Sätzen noch nicht unterliegen.

In der Jetztzeit ist der Gegensatz der Staaten in der Völkerrechtsgemeinschaft hervorgetreten, zwischen den Staaten des sowjetischen und denen des westlichen Machtbereichs. Zwischen den Rechtsauffassungen dieser beiden Gruppen haben sich sehr häufig Differenzen ergeben, die von beiden Seiten auch theoretisch begründet worden sind. So hat z.B. Leibholz in der Sitzung der deutschen Völkerrechtslehrer im April 1948 in Hamburg den Gedanken vertreten, daß die Staaten der westlichen Gruppe durch eine ganze Reihe von völkerrechtlichen Sätzen zusammengehalten werden, die die Staaten der östlichen Gruppe keineswegs anerkennen. Diese seiner Meinung nach ideologisch bedingte Unterscheidung zwischen beeiden Staatengruppen hat dazu geführt, daß von einer größeren Völkerrechtsgemeinschaft wahrscheinlich kaum noch die Rede sein kann, und daß eine gewaltsame Auseinandersetzung der beiden Blöcke unumgänglich geworden ist. Ich will dieser Auffassung noch nicht ganz folgen, denn zwischen diesen beiden Gruppen ist noch nicht jedes Band gesprengt, und es muß in Kürze auch noch nicht gesprengt werden, denn es gibt unzweifelhaft eine Unmenge tatsächlicher Gegebenheiten, die einem derartigen Aufeinanderprallen entgegenstehen und die einen ständigen Verlehr der Staatengruppen miteinander erforderlich machen. Daher haben sich die rechtlichen Auffassungen beider Gruppen noch nicht dahin entwickelt, daß sie die rechtlichen Verbindungen zueinander gelöst hätten. Beide gehören noch zur UN. Da sie zu einem gemeinsamen Verband gehören, gehören sie auch noch zur gleichen Völkerrechtsgemeinschaft, und wir können daher auch heute noch sagen, daß die Sätze, die aus der Hegelschen Formel folgen, beide Staatengruppen verbinden und verpflichten. Sobald einer der zu beiden Staatengruppen gehörenden Staaten gegen eine Norm verstößt, die notwendig aus der Formel folgt, verstößt er trotz der Auffassung Leibholz’ realiter gegen eine Völkerrechtsnorm, die dem Willen beider Gruppen völlig entzogen ist, weil beide durch ihre Interdependence soziologisch aneinander gebunden sind und weil beide sich ihrem erklärten Willen nach rechtlich noch nicht aus der Völkerrechtsgemeinschaft entfernt haben. Leibholz hatte aber in der Beziehung recht, daß es in beiden Gruppen Auffassungen gibt, die nur dieser Gruppe gemeinsam sind, sie aber mit der anderen Gruppe nicht verbinden, und es gibt auch auf jeder Seite entsprechende konkrete Festsetzungen, die sich auf diese Gruppe beschränken. (So z.B. bei der östlichen Machtgruppe die Aufgabe der Gestaltung einer einheitlichen Planwirtschaft.) Diese Zwecksetzungen machen auf beiden Seiten Rechtssätze erforderlich, die nur für die betroffene Gruppe gelten.

 

[30. November 1948]

 

Im Völkerrecht finden wir häufig, daß auf Normen naturrechtlicher Art Bezug genommen wird. Wie verhalten sich diese Verweisungen zu den Normengruppen, die wir oben erwähnten? Solche quasi naturrechtlichen Normen finden wir außerdem in Art. 38 des Statuts des Internationalen Gerichtshofes, in dessen Absatz 1 es unter c) heißt: daß die allgemein von zivilisierten Nationen anerkannten Rechtsgrundsätze neben den internationalen Abkommen und neben dem Völkergewohnheitsrecht angewandt werden müssen. Dabei handelt es sich ganz augenscheinlich auch um Normen, die ihrem Inhalt nach nur durch Überlegungen quasi naturrechtlicher Art bestimmt werden können. Aber bei dieser Art der Verweisung auf naturrechtliche Gedanken handelt es sich um etwas anderes als um den Gesichtspunkt der opi, denn in beiden Fällen ist der Geltungsgrad dieser Sätze nicht die Überlegung, daß diese Normen als geltend vorausgesetzt werden müssen, wenn man überhaupt eine Völkerrechtsordnung haben will, sondern der Geltungsgrund dieser Rechtssätze ist in beiden Fällen umgekehrt die konkrete Vereinbarung durch die Subjekte des Völkerrechts, die also ihrerseits schon gewisse Sätze voraussetzen, um überhaupt entstehen zu können. Darauf beruht auch die Tatsache, daß das Völkervertragsrecht und Völkergewohnheitsrecht (als das vereinbarte Völkerrecht) höheren Rang hat als der Teil des Völker»naturrechts«, der nun auch in die Völkerrechtsordnung Eingang gefunden hat, denn dieser Teil des Völkernaturrechts gilt nur Kraft der Vereinbarungen durch die Staaten. Auch Art. 38 des Statuts ist nichts anderes als eine vertragliche Vereinbarung der Staaten, die am ständigen Internationalen Gerichtshof beteiligt sind. Daher hat der Gerichtshof auch entschieden, daß dieser Art. 38 Abs. I, c nur subsidiär hinter dem Völkervertragsrecht und Völkergewohnheitsrecht Anwendung finden dürfe. (...)

Dieser Grundsatz des Art. 38 I c ist streng von den Normen der opi zu trennen, die den Verträgen vorgeschaltet sind und unter allen Umständen Anwendung zu finden haben, selbst wenn das Völkervertragsrecht ihnen widersprechen sollte. Damit stehen wir aber wieder vor der Frage, wie sich beide Gruppen dieser sozusagen naturrechtsähnlichen Sätze konkret unterscheiden. Das wichtigste Merkmal der Unterscheidung: zu den Sätzen der opi gehören alle diejenigen Sätze, die schlechterdings vorausgesetzt werden müssen, wenn man überhaupt annehmen will, daß eine Völkerrechtsordnung besteht. Es gehören dazu zunächst einmal alle Sätze, die als Normen existieren müssen, wenn man ein, wenn auch lockeres Gebäude des intersouveränen Völkerrechts anerkennen will. Das ist der Satz pacta sunt servanda und die Sätze über die Grundrechte der Staaten, die aus dem Satze Hegels folgen: er sei Person und respektiere andere als Personen. Ferner gehören zu diesem Gebäude der opi auch noch diejenigen Sätze, die aus der Realität der den Staaten erwachsenden gemeinsamen Aufgaben erfolgen. (common aims). Soweit solche Aufgaben unter Staatengruppen vereinbart sind, soweit tragen wir in diese Normengruppe der opi ein relatives Moment hinein, das je nach der Gruppierung sehr verschieden aussehen kann. Daher zerfällt die opi in gemeinhin geltende und in partikular geltende Sätze. Die partikular geltenden Sätze haben in der neuesten Zeit begonnen, das Völkerrechtssystem erheblich umzugestalten. Dieser Gesichtspunkt der common aims wird besonders in den Staatengruppen wirksam, die durch eine analoge soziale Struktur enger miteinander verbunden sind. Wir finden das schon in der Zeit der Entstehung der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Damals waren aus den einzelnen Kolonien zunächst souveräne Staaten entstanden. Diese waren damals jedoch schon durch engere gemeinsame Ziele verbunden, die ihren Staatenbund zusammenhielten, und die weit über die allgemeinen Ziele der Völkerrechtsgemeinschaft hinausgingen. Diese Einzelstaaten wurden durch ihre analoge politische und soziale Struktur zusammengehalten und in der Weiterentwicklung verdichtete sich die Zusammenfassung zu einem Staat. Wir sehen hier den Übergang vom Völkerrecht zum echten Staatsrecht. In späterer Zeit haben wir einen ganz ähnlichen Prozeß beim Zusammenschluß der sowjetisch organisierten Staaten des ehemals zaristischen Rußlands. Diese Staaten standen zunächst sogar ohne gemeinschaftliche Vereinbarung nebeneinander, und nur ihre soziale Struktur hat sie miteinander verbunden. Die ihnen gemeinsamen Rechtssätze, die auf Grund der gemeinsamen Ziele schon vorher vorhanden waren, führten dann zu einem Zusammenschluß dieser Staaten, zu einem Staatenbund, der sich sehr bald in einen Bundesstaat umzuwandeln vermochte. Heute erleben wir etwas Ähnliches in den Staaten, die zum sowjetischen Machtbereich gehören. Die Sachlage ist aber dadurch etwas anders, daß die Sowjetunion eine hegemoniale Stellung einnimmt. Die common aims bilden schon eine neue rechtliche Situation, ohne daß das besonders ausgedrückt wäre. Die hegemoniale Macht erkennt offiziell die Souveränität dieser Staaten innerhalb der Gruppe an, betrachtet aber die Auflehnung eines Staatsmannes dieser Staaten nicht als Betätigung eigenen Souveränitätsrechts, sondern im Grunde als eine Art hochverräterische Auflehnung gegen die Hegemonialmacht. Das Verhalten der Hegemonialmacht läßt einen neuen Rechtssatz innerhalb dieser Gruppe vermuten, der nur für diese Gruppe gilt. Eine ähnliche Entwicklung eigener Rechtssätze finden wir auch auf der Seite der westlichen Staatengruppe. Wir sehen deutlich, daß sich partikulare Rechtskreise zu bilden beginnen, die geeignet sein können, die gesamt Struktur der Völkerrechtsgemeinschaft zu sprengen und diese Gemeinschaft aufzulösen. (Siehe Auseinandersetzung über das Leibholz’sche Referat auf der Tagung der Hamburger Völkerrechtslehrer). Leibholz behauptete, daß die Völkerrechtsgemeinschaft bereits zerfallen sei. Ich vertrete jedoch die folgende Meinung: Wenn sich auch partikulare Rechtskreise innerhalb der Völkerrechtsgemeinschaft gebildet haben, die gegensätzlich gerichtet sind und miteinander in großen Teilen konkurrieren, und wenn auch das Recht beider Systeme zum größten Teil nicht aus dem formalvertraglichen Gesichtspunkt begriffen werden kann, sondern nur unter realer Anerkennung der quasi naturrechtlichen Sätze beider Kreise, so daß die Sprengungstendenz sehr groß ist, so bleibt doch ein weites Gebiet übergeordneten Rechts, das diese Kreise noch miteinander verbindet. Beide Kreise sind, mindestens in ihren Beziehungen zueinander, von der Fortexistenz der Souveränität ausgegangen. Beide Kreise haben sich in der Vereinbarung einer ganzen Reihe von neuen Völkerrechtssätzen, die im früheren Völkerrecht nicht verbindlich waren, gefunden. Diese neuen Sätze haben für beide Teile das vertragliche Völkerrecht sehr stark erweitert, was insbesondere auch die Vereinbarung gemeinsamer common aims und den damit zusammenhängenden naturrechtlichen Teil des Völkerrechts betrifft, wie z.B. die Atlantik-Charta, die auch von der Sowjetunion als Grundlage ihrer Völkerrechtspolitik angenommen worden ist (Feierliche Proklamation der UN am 1. 1. 1942). In dieser Proklamation wurde die Atlantik-Charta den anderen Staaten, die nicht zur UN gehören, als Programm vorgesetzt. Diese seinerzeit gemeinsam aufgestellten Sätze sind auch heute noch nicht entfallen, sondern sie binden noch heute beide Kreise aneinander und stellen für beide übergeordnetes Recht dar. Wenn wir rein formalrechtlich vorgehen, so binden nicht nur die Sätze des Völkerrechts alter Struktur, sondern darüber hinaus eine ganze Reihe neuer vertragsrechtlicher Momente und die daraus folgenden Sätze der ordre publique internationale die beiden Rechtskreise trotz aller ideologischen Differenzen auch jetzt noch aneinander. Der Atlantik-Charta und der Satzung der UN werden wir einiges an Rechtssätzen entnehmen können, die im heutigen völkerrechtlichen System auf Grund der gemeinsamen Ziele mindestens für die der UN angehörenden Staaten als opi angesehen werden müssen, während wir daneben noch die Rechtssätze haben, die sich in den innerhalb des Gesamtsystems entstandenen partikulären Rechtskreisen bilden.

An diesen vereinbarten neuen Zielen und den Sätzen, die daraus mit Notwendigkeit folgen, werden wir auch das Verhalten der Staaten innerhalb dieser Rechtsgemeinschaften messen und feststellen können, inwieweit sie diese Zielsetzung, zu deren Anerkennung sie sich selbst verpflichtet haben, in ihrer Staatenpraxis gelten lassen. Wenn sie das nicht tun, und soweit sie das nicht tun, werden wir jeden Verstoß gegen diese gemeinsamen Ziele und die daraus entsprungenen Sätze der opi als Völkerrechtsverletzung zu werten haben. Bei der Prüfung dieser Sätze werden wir auch hier einen kurzen Blick auf diese Dokumente werfen müssen, und wir werden dabei sehen, daß schon durch die Vereinbarung der Atlantik-Charta für die Gruppe dieser Siegermächte, die allein das Kriegsende überstanden haben, eine starke Strukturveränderung der Völkerrechtsgemeinschaft erfolgt ist. Das Recht, das bis dahin für alle Glieder der Völkerrechtsgemeinschaft gilt, ist nur das intersouveräne Völkerrechtssystem, denn die Völkerbundsordnung war zerfallen. Nun werden in der Atlantik-Charta einige Sätze genannt, die mit dem Gesichtspunkt des bloß intersouveränen Völkerrechts nicht mehr zu fassen sind, so z.B. Punkt 3 der Atlantik-Charta: Allen Völkern soll das Recht auf Selbstbestimmung gegeben werden. Dieser Punkt bedeutet anscheinend nichts anderes als die Anerkennung des Grundsatzes des intersouveränen Völkerrechts: das Recht der Völker, ihre Regierungsform selbst zu wählen, wird anerkannt. (Respektierung des Souveränitätsgedankens und Verzicht auf alle Interventionsprinzipien.) Aber der Punkt 3 fährt fort: Diese Rechte sollen den Völkern zurückgegeben werden, die ihrer gewaltsam beraubt worden sind. Das geht über den Gedanken des bloß intersouveränen Völkerrechts hinaus, und zwar in der Richtung, daß die Idee der Souveränität des Volkes (die Idee der Demokratie) in den Vordergrund gerückt wird und daß die Parteien sich dahin entscheiden, zugunsten der Idee der Demokratie intervenieren zu wollen. Damit ist in der Atlantik-Charta der Gedanke der Volkssouveränität zum Inhalt der common aims der beteiligten Staaten erhoben. Das Gleiche zeigt sich in anderer Form auch in Artikel 2 der Atlantik-Charta. Dieser verbietet Gebietsveränderungen, die nicht mit dem frei zum Ausdruck gebrachten Wünschen der Völker übereinstimmen. Auch hier zeigt sich, daß die Völker selbst bestimmen sollen, zu welchem Staat sie gehören wollen und welche Form dieser Staat haben soll. Einige der nach 1942 in England und den USA erschienenen Arbeiten lesen aus Punkt 3 der Atlantik-Charta nur den Gedanken des alten intersouveränen Völkerrechts heraus, während doch in Wirklichkeit eine gemeinsame Zielsetzung darin liegt, die auch den Charakter einer Intervention annehmen kann, denn es wird ausdrücklich gesagt, daß den Völkern, die ihre Souveränitätsrechte verloren haben, diese wieder beschafft werden sollen. Daraus folgen einige weitere Verpflichtungen für die beteiligten Staaten, wenn man davon ausgeht, daß das venire contra factum proprium ihnen verboten ist. Auch im Völkerrecht sind die Staaten genötigt, die Folgen ihrer eigenen Handlungsweise zu tragen. In der Atlantik-Charta wird der Gedanke der gemeinschaftlichen Zielsetzung in Punkt 4 weiter ausgeführt: Freier Zugang zu allen Rohstoffen der Welt und deren gerechte Verteilung. Das zielt auf eine Verbreiterung der wirtschaftlichen und sozialen Zusammenarbeit der Staaten. In Art. 5 wird dann ausgedrückt, daß künftige gemeinsame planende Maßnahmen in dieser Richtung erfolgen sollen. In Art. 7 wird der Gedanke der freien Schiffahrt auf allen Meeren, der allerdings kein neuer ist, in diesem Zusammenhang nochmals erwähnt.

Diese Grundgedanken der Atlantik-Charta haben in der Satzung der UN Eingang gefunden, und sie sind jetzt positive vertragliche Verpflichtungen der beteiligten Staaten, die allerdings zum Teil nur durch Rückgriff auf Überlegungen der opi zu verstehen sind.

Sosehr diese common aims die Völkerrechtsgemeinschaft auch verbreitert haben, sosehr hält dieselbe Satzung gleichzeitig den Souveränitätsgrundsatz aufrecht. In Art. 2 Ziff. 7 wird betont, daß nichts, was in der vorliegenden Charta enthalten ist, die UN ermächtigt, sich in Angelegenheiten zu mischen, die ihrem Wesen nach in den eigenen Zuständigkeitsbereich eines Staates gehören, d. h. mit anderen Worten: trotz aller gemeinschaftlichen Zwecksetzungen soll der Gedanke der Souveränität streng beachtet werden. (...)

[Copyright bei Edizioni La Città del Sole/Napoli]

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