TOPOS 4
Kritische Theorie
Inhalt
AUFSÄTZE
Hans Heinz Holz: Impuls und Verfall der Kritischen Theorie
Jörg Zimmer: Zur Metaphysikkritik in der Frühphilosophie Max Horkheimers
Michael Weingarten: Bemerkungen über Wissenschaft und Krise
Stefano Garroni:
Adorno und die Dialektik
DISKUSSION
Jan Philipp Reemtsma: Peter Hacks liest
Peter Hacks: Schlußwort
Karlludwig Rintelen: Über den Abderismus
Robert Steigerwald: Darstellung einer Darstellung
AUS DEN ARCHIVEN
Bertus Mulders: Sternheims Bemerkungen zu Autorität und Familie (mit zwei unveröffentlichten Briefen Sternheims an Max Horkheimer)
LITERATUR UND FORSCHUNG
Hans Heinz Holz: Joachim Schickel zum 70. Geburtstag
Joachim Schickel: Mea maxima culpa. Kritik und Selbstkritik im Marxismus
Editorial
Am 6. August vor 25 Jahren ist Theodor W. Adorno gestorben. Der 14. Februar 1995 ist der 100. Geburtstag Max Horkheimers. Anlaß genug, der beiden philosophischen Hauptvertreter der sogenannten »Kritischen Theorie« der »Frankfurter Schule« zu gedenken. Zusammen mit den Schriften von Herbert Marcuse, der ebenfalls vom Frankfurter »Institut für Sozialforschung« herkam, waren Horkheimers Entgegensetzungen von traditioneller und kritischer Theorie und seine Kritik der »instrumentellen Vernunft« die philosophische Grundlage der sich entwickelnden Studentenopposition der sechziger Jahre, flankiert von den kulturkritischen Arbeiten Adornos, dessen systematische Werke, die »Negative Dialektik« und die »Ästhetische Theorie« erst gegen Ende dieser Periode kurz vor und nach seinem Tode erschienen. In den erregten Jahren der Studentenbewegung ging es in den Auseinandersetzungen um die Kritische Theorie, die sowohl bei Positivisten wie bei Marxisten auf heftigen Widerspruch stieß, mehr um die politisch-ideologischen Implikationen als um den philosophischen Kern ihrer Lehren. Betrachtet aus dem Abstand eines Vierteljahrhunderts, in dem es um die »Frankfurter Schule« still geworden ist, treten nun die Konturen der theoretischen Probleme deutlicher hervor, die sich mit der Reduktion der Dialektik auf ihre destruktiv-kritische Funktion verknüpfen. ... Es ist allerdings nicht nur ein rückschauend historisches Interesse, das dem Gehalt der Kritischen Theorie gilt. Die Zuspitzung der Herrschaftsformen im Kapitalismus nach dem Scheitern des ersten Versuchs, ihm sozialistische Gesellschaften entgegenzusetzen, erzeugt eine Bewußtseinslage, in der die geschichtsphilosophische Position Horkheimers und die kulturphilosophische Adornos neue Aktualität bekommen könnten. Es scheint darum durchaus aktuell und wichtig, einen Anstoß zu geben, die objektiven Probleme, die in diesem Denken Widerscheinen, die Impulse, die von ihm ausgehen und die Hemmungen und Schranken, die es sich auferlegt, wieder zu überprüfen. Dem Zentralthema dieses Heftes fügt sich der Archivfund ein, den wir Bertus Mulders verdanken. Er hat bei der Arbeit an seiner Monographie über Andries Sternheim, der die Genfer Nebenstelle des Instituts für Sozialforschung leitete, die kritischen Annotationen Sternheims zu dem Gemeinschaftswerk des Instituts »Autorität und Familie« erschlossen, die hier mit seiner Einführung erstmals publiziert werden. Der ebenfalls unveröffentlichte Vortrag von Joachim Schickel über Kritik und Selbstkritik stellt in mancher Hinsicht einen theoretischen Kontrapunkt zur Kritischen Theorie dar; er stammt aus der Zeit, als die Studentenbewegung ihrem Höhepunkt entgegenging, in die Schickels publizistische Tätigkeit nachhaltig hineingewirkt hat. ...